Rückwirkende Vertragsauflösung in der Grundversorgung: Prozesse, Fristen und Ausnahmen
Dieser FAQ-Eintrag erläutert die Möglichkeiten und Grenzen der rückwirkenden Auflösung von Grundversorgungsverträgen (GV) im Kontext der deutschen Marktkommunikation (MaKo). Dabei werden Fristen, Prozesse, notwendige Abstimmungen und mögliche Ausnahmen detailliert beschrieben.
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Kontext:
Die rückwirkende Auflösung von Energielieferverträgen, insbesondere in der Grundversorgung, unterliegt den Prozessen der deutschen Marktkommunikation (MaKo) gemäß GPKE (Geschäftsprozesse Kundenwechsel Elektrizität) und GeLi Gas (Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel Gas). Der automatisierte 24-Stunden-Lieferantenwechsel hat die Prozesse für zukünftige Lieferbeginne beschleunigt. Die Möglichkeiten rückwirkender Änderungen sind jedoch weiterhin durch Fristen und Standardprozesse limitiert, um die Prozessstabilität und Abrechnungssicherheit für alle Marktpartner zu gewährleisten. Beteiligte Marktpartner sind u.a. der Lieferant im Altsystem (LFA), der Lieferant im Neusystem (LFN) und der zuständige Netzbetreiber (NB). Grundlage für die Grundversorgung sind das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG §36, §38) und die Grundversorgungsverordnungen (StromGVV/GasGVV). Das EnWG definiert die Rahmenbedingungen für die Grundversorgung, während die Grundversorgungsverordnungen die konkreten Rechte und Pflichten von Grundversorgern und Kunden regeln. Eine Kündigung durch den Kunden ist gemäß StromGVV/GasGVV §20 jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen möglich. Die korrekte Abwicklung von Lieferantenwechseln und die Einhaltung der Marktkommunikationsprozesse sind entscheidend für eine stabile Energieversorgung. Hierbei werden EDIFACT-Nachrichten wie MSCONS (Messwerte), UTILMD (Stammdaten), APERAK (Fehlerquittung) und CONTRL (Kontrollnachricht) verwendet. Im Kontext der rückwirkenden Vertragsauflösung spielen Bilanzierungszeiträume eine wichtige Rolle. Die korrekte Zuordnung von Verbräuchen zu den jeweiligen Bilanzierungszeiträumen ist essenziell für die Abrechnung. Bei einer rückwirkenden Vertragsauflösung muss sichergestellt werden, dass die Verbräuche dem richtigen Lieferanten zugeordnet werden. Die Prozesse "Lieferende" und "Lieferbeginn" gemäß GeLi Gas (Kapitel B.2 und B.3) sind hierbei relevant.
Antwort:
Eine automatisierte rückwirkende Vertragsauflösung in der Grundversorgung (GV) ist über den Standardprozess der Marktkommunikation (EDIFACT) in der Regel nicht möglich, wenn sie mehr als sechs Wochen (42 Kalendertage) in der Vergangenheit liegt. Diese Frist dient der Prozessstabilität und Abrechnungssicherheit für alle Marktpartner. Die Systeme der Netzbetreiber lehnen automatisierte Anfragen zur rückwirkenden Vertragsauflösung außerhalb dieser Frist standardmäßig ab. Dies betrifft sowohl Strom- als auch Gaslieferverträge, wobei die Prozesse in GPKE und GeLi Gas definiert sind. In Ausnahmefällen, etwa bei fundamentalen Datenfehlern (z.B. falsche Zählpunktbezeichnung, falsche Zuordnung von Zählern) oder einem unstrittigen Fehler im Lieferbeginn, kann eine rückwirkende Korrektur über einen manuellen Klärfall versucht werden. Dies erfordert eine bilaterale Abstimmung zwischen dem alten Lieferanten (LFA), dem neuen Lieferanten (LFN, falls relevant) und dem zuständigen Netzbetreiber (NB). Alle Parteien müssen der rückwirkenden Änderung zustimmen. Der Netzbetreiber konfiguriert dann sein System manuell, um die 6-Wochen-Prüfung für diesen spezifischen Fall temporär zu ignorieren, damit die Abmeldung durch den alten GV und die Anmeldung durch den neuen GV erneut über die Marktkommunikation gesendet und erfolgreich verarbeitet werden können. Der Ablauf eines solchen Klärfalls beinhaltet in der Regel den Austausch von E-Mails und Telefonaten zwischen den beteiligten Marktpartnern. Es ist wichtig, zwischen Stornierung und Rückabwicklung zu unterscheiden. Eine Stornierung ist nur möglich, wenn die auslösende Meldung (z.B. Anmeldung) noch nicht beantwortet wurde. Eine Rückabwicklung hingegen ist erforderlich, wenn die Antwort auf die Ursprungsnachricht bereits versendet wurde. Die Stornierung wird elektronisch beantwortet, während die Rückabwicklung einen manuellen Prozess erfordert, bei dem das Einverständnis aller beteiligten Marktpartner erforderlich ist. Die relevanten EDI@Energy-Spezifikationen sind in den "Allgemeinen Festlegungen" beschrieben. Ein Beispiel für einen Anwendungsfall wäre ein Kunde, der fälschlicherweise bei einem anderen Lieferanten angemeldet wurde, obwohl er weiterhin in der Grundversorgung bleiben wollte. Wenn dieser Fehler erst nach Ablauf der 6-Wochen-Frist bemerkt wird, ist eine manuelle Korrektur erforderlich. Die beteiligten Marktpartner müssen sich abstimmen und der Netzbetreiber muss die Systemeinstellungen manuell anpassen. Es ist wichtig zu beachten, dass eine rückwirkende Korrektur nicht erzwungen werden kann, wenn ein Marktpartner nicht zustimmt.
Zusätzliche Informationen:
Ein rückwirkendes Auszugsdatum bei Meldung an den Grundversorger ist grundsätzlich möglich, sollte aber vermieden werden, um Abrechnungsprobleme zu verhindern. Die korrekte Datenqualität ist entscheidend für eine reibungslose Abwicklung von Lieferantenwechseln. Fehlerhafte oder unvollständige Daten können zu Verzögerungen und zusätzlichen Aufwendungen führen. Gemäß GPKE können in begründeten Einzelfällen von den Marktpartnern Vollmachten zur Abwicklung der Marktkommunikation eingefordert werden. Der Lieferant im Altsystem (LFA) bearbeitet die Kündigung nach Anforderung weiter, kann den Prozess jedoch abbrechen, wenn keine Vollmacht vorliegt. Solange die Vollmacht beim LFA nicht eingetroffen ist, wartet der Prozess an diesem Prüfschritt. Die im Sequenzdiagramm „Kündigung“ genannte Frist ist in diesem Fall nicht zu berücksichtigen. Die Prüfung, ob die angeforderte Vollmacht vorliegt, ist regelmäßig erneut durchzuführen, bis die Vollmacht eingetroffen ist. Sie ist unverzüglich zu prüfen und die Kündigung ist unverzüglich zu beantworten. Bei fehlerhafter oder unrechtmäßiger rückwirkender Vertragsauflösung können rechtliche Konsequenzen drohen, beispielsweise Schadensersatzansprüche. Daher ist es ratsam, sich vor einer rückwirkenden Korrektur rechtlich beraten zu lassen. Es empfiehlt sich, frühzeitig Kontakt zu den beteiligten Marktpartnern aufzunehmen und alle relevanten Informationen transparent zu dokumentieren.
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