Abrechnungsprozesse im deutschen Energiemarkt: EDIFACT-basierter Datenaustausch | Wissensdatenbank
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Abrechnungsprozesse im deutschen Energiemarkt: EDIFACT-basierter Datenaustausch

Die Abrechnung im Energiemarkt erfolgt zwischen Netzbetreibern (NB), Messstellenbetreibern (MSB) und Lieferanten unter Nutzung standardisierter EDIFACT-Nachrichten. Dieser Prozess umfasst die Übermittlung von Verbrauchsdaten, Rechnungsstellung und Zahlungsabwicklung.

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Kontext:

Die Abrechnungsprozesse im deutschen Energiemarkt sind durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), insbesondere §40, das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) und die Festlegungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) wie GPKE (Geschäftsprozesse Kundenendabrechnung), MaBiS (Marktprozesse für Bilanzierungsdienstleistungen) und WiM (Wechselprozesse im Messwesen) reguliert. Standardisierte Nachrichtenformate basierend auf dem EDIFACT-Standard (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport) gewährleisten einen automatisierten Datenaustausch. Die Einhaltung der regulatorischen Vorgaben und die korrekte Anwendung der EDIFACT-Standards sind für alle Marktpartner verpflichtend, um eine effiziente und transparente finanzielle Abwicklung von Energielieferungen und damit verbundenen Dienstleistungen zu gewährleisten. Zentrale Marktrollen umfassen: Netzbetreiber (NB), verantwortlich für den Betrieb und die Instandhaltung der Energienetze sowie die Netznutzungsabrechnung; Messstellenbetreiber (MSB), zuständig für die Messung und Bereitstellung von Verbrauchsdaten; und Lieferanten, die Endkunden mit Energie beliefern und die Abrechnung mit diesen durchführen. Die Bilanzierung von Energiemengen und die Behandlung von Mehr-/Mindermengen spielen eine wesentliche Rolle, wobei Bilanzkreisverantwortliche für die Ausgleichung von Differenzen zwischen prognostizierten und tatsächlichen Verbräuchen zuständig sind. Die Clearingstelle fungiert als neutrale Instanz zur Klärung von Streitigkeiten zwischen Marktpartnern. Die Prognose von Verbrauchswerten ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Diese Prognosen werden zur Bilanzierung verwendet und beeinflussen die Abrechnung von Mehr- und Mindermengen. Verschiedene Rechnungsarten kommen zum Einsatz, darunter Netznutzungsrechnungen (NN-Rechnung), Messstellenbetriebsrechnungen (MSB-Rechnung) und Mehr-/Mindermengenrechnungen (MMM-Rechnung).

Antwort:

Der Abrechnungsprozess basiert auf dem Austausch von EDIFACT-Nachrichten zwischen den Marktpartnern. Der MSB erfasst die Verbrauchsdaten und leitet diese an den NB und den Lieferanten weiter. Der NB stellt dem Lieferanten Netznutzungsentgelte mittels einer INVOIC (Invoice) in Rechnung. Eine INVOIC ist eine EDIFACT-Nachricht vom Typ D.06A für Rechnungen. Diese enthält Mengenangaben, Preise, Steuern und Referenznummern in standardisierten Segmenten. Der Lieferant prüft die INVOIC und antwortet mit einer REMADV (Remittance Advice), einer EDIFACT-Nachricht vom Typ D.05A für Zahlungsavise, die entweder die Akzeptanz (positive REMADV) oder Ablehnung (negative REMADV) der Rechnung signalisiert. Bei Ablehnung kann der NB mit einer COMDIS (Commercial Dispute) widersprechen, um einen kommerziellen Streitfall zu eröffnen. Ein ähnlicher Ablauf gilt für die Rechnungsstellung durch den MSB an den Lieferanten mittels INVOIC. Auch hier antwortet der Lieferant mit REMADV. Bei Ablehnung kann der MSB eine Stornorechnung erstellen. Die Akzeptanz der Stornorechnung führt zur Freigabe der ursprünglichen INVOIC. Wenn der Lieferant die Stornorechnung ablehnt, ist eine bilaterale Klärung erforderlich. Bei Fehlern in der Nachrichtenverarbeitung wird das Format APERAK (Application Error and Acknowledgement) verwendet, um den Fehler zu melden. **Beispielablauf:** 1. **INITIIERE_GESCHAEFTSVORFALL:** Der NB erstellt eine Jahresabrechnung. 2. **GENERIEREN_INVOIC_NACHRICHT:** Der NB generiert eine INVOIC-Nachricht basierend auf den Verbrauchsdaten und den Netznutzungsentgelten. 3. **APPLIZIERE_PAKET_BEDINGUNGEN:** Das Standardpaket [1P] wird angewendet, da keine spezifischen Bedingungen vorliegen. 4. **VERSENDEN_INVOIC_NACHRICHT:** Der NB sendet die INVOIC-Nachricht an den Lieferanten. 5. **EMPFANGEN_INVOIC_NACHRICHT:** Der Lieferant empfängt die INVOIC-Nachricht. 6. **PRUEFE_INVOIC_NACHRICHT_INHALT:** Der Lieferant prüft die Mengenangaben, Preise und Steuern. 7. **GENERIEREN_REMADV_NACHRICHT:** Der Lieferant generiert eine REMADV-Nachricht, um die Zahlung anzuweisen. 8. **VERSENDEN_REMADV_NACHRICHT:** Der Lieferant sendet die REMADV-Nachricht an den NB. **Anwendungsfall Ablehnung:** Eine REMADV kann negativ sein, wenn falsche Mengenangaben in der INVOIC enthalten sind. In diesem Fall muss der NB die INVOIC korrigieren und erneut senden. Alternativ kann der NB eine COMDIS versenden, falls er die Ablehnung nicht akzeptiert.

Zusätzliche Informationen:

Die korrekte Anwendung der EDIFACT-Formate (INVOIC, REMADV, COMDIS, APERAK) ist entscheidend für eine automatisierte und effiziente Abrechnung. Weitere Informationen finden sich in den BDEW/VKU-Standards und den Festlegungen der Bundesnetzagentur. Die Einhaltung der regulatorischen Vorgaben ist für alle Marktpartner verpflichtend. Die Übertragung der EDIFACT-Nachrichten erfolgt in der Regel über AS2-Verbindungen (Applicability Statement 2) oder SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) mit Verschlüsselung und digitalen Signaturen zur Gewährleistung der Datensicherheit. Die verwendeten Messgeräte müssen geeicht sein, um die Korrektheit der Verbrauchsdaten sicherzustellen (Eichrecht). Rechnungen müssen den Anforderungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) genügen. Der Umgang mit Verbrauchsdaten unterliegt den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Bei der Abrechnung von Mehr-/Mindermengen (MMM) werden Differenzen zwischen prognostizierten und tatsächlichen Verbräuchen ausgeglichen. Die Abrechnung erfolgt durch den Bilanzkreisverantwortlichen. Insolvenzen von Lieferanten oder Wechselszenarien erfordern spezielle Abrechnungsmodalitäten, die in den Marktregeln festgelegt sind. Die Clearingstelle kann bei Streitigkeiten zwischen Marktpartnern angerufen werden. Business Rules spielen eine wichtige Rolle bei der automatisierten Rechnungsprüfung. Sie definieren, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Rechnung akzeptiert wird. Die Aktualität der Stammdaten (z.B. Preise, Steuersätze) ist entscheidend für eine korrekte Abrechnung.

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