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AGNES Netzentgelte 2029: Reform der Stromnetzentgelte [Praxis-Guide]

AGNES Netzentgelte 2029: Reform der Stromnetzentgelte [Praxis-Guide]

Veröffentlicht: 12.11.2025

Umfassender Leitfaden zur AGNES-Reform (Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom): Einspeiseentgelte, dynamische Netzentgelte, Speicherprivilegierung und Auswirkungen auf Netzbetreiber, Anlagenbetreiber und Endkunden. Verstehen Sie die fundamentale Neuausrichtung der deutschen Netzentgeltlandschaft bis 2029.

AGNES Netzentgelte 2029: Reform der Stromnetzentgelte [Praxis-Guide]

Willkommen zum umfassenden Leitfaden zur AGNES-Reform – der fundamentalen Neuausrichtung des deutschen Stromnetzentgeltsystems! Wenn Sie als Netzbetreiber, Anlagenbetreiber, Stadtwerk oder in der Energiewirtschaft tätig sind, erfahren Sie hier alles Wichtige über die Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom und ihre Auswirkungen bis 2029.

Was ist AGNES?

AGNES steht für „Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom" und bezeichnet die grundlegende Reform des deutschen Stromnetzentgeltsystems durch die Bundesnetzagentur (BNetzA). Die bisherige Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) läuft zum 31. Dezember 2028 aus. Ein EuGH-Urteil vom 2. September 2021 stellte fest, dass die Entgeltgestaltung der Regulierungsbehörde obliegt, nicht dem Verordnungsgeber.

Am 12. Mai 2025 hat die BNetzA das offizielle Festlegungsverfahren mit einem umfassenden Diskussionspapier eingeleitet, das bis 2029 zu einer vollständigen Neugestaltung der Netzentgeltlandschaft führen wird.

Warum ist die AGNES-Reform notwendig?

Die Energiewende stellt das bisherige Netzentgeltsystem vor fundamentale Herausforderungen:

  • Massiver Investitionsbedarf: 360 Milliarden Euro bis 2045 für Netzausbau
  • Veränderte Erzeugungsstruktur: Dezentrale erneuerbare Energien statt zentraler Großkraftwerke
  • Fehlende Flexibilitätsanreize: Das alte System hemmt netzdienliches Verhalten
  • Schrumpfende Finanzierungsbasis: Bei gleichzeitig steigenden Netzkosten (von 33 Mrd. € 2025 auf über 70 Mrd. € 2045)
  • Regionale Verwerfungen: Unfaire Kostenverteilung zwischen einspeise- und verbrauchsdominierten Regionen
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Die vier Zieldimensionen von AGNES

Die AGNES-Reform verfolgt vier zentrale Zieldimensionen, die einen Paradigmenwechsel in der deutschen Netzentgeltregulierung markieren. Diese vier Säulen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern müssen in einem ausbalancierten Gesamtsystem zusammenwirken – eine Herausforderung, die die Komplexität des Vorhabens verdeutlicht.

1. Kostenorientierung

Kostenorientierung steht an erster Stelle: Die Entgelte sollen die tatsächliche Kostenverursachung widerspiegeln und die effizienten Netzkosten decken. Angesichts eines Investitionsbedarfs von 360 Milliarden Euro bis 2045 ist dies existenziell. Die Energiewende transformiert das Stromnetz von einem verbrauchszentrierten zu einem bidirektionalen System mit Millionen dezentraler Einspeiser. Diese fundamentale Veränderung muss sich in der Kostenstruktur widerspiegeln.

2. Anreizwirkung

Die zweite Dimension ist Anreizwirkung – AGNES soll netzdienliches Verhalten fördern, Flexibilitätshemmnisse abbauen und zeitliche wie räumliche Lastverschiebung honorieren. Das bisherige System setzt keine Anreize für Lastmanagement oder flexible Einspeisesteuerung. Im Gegenteil: Die starren Strukturen blockieren Innovationen und behindern die Integration erneuerbarer Energien. AGNES soll diesen Widerspruch auflösen und Flexibilität zum wirtschaftlichen Vorteil machen.

3. Umsetzbarkeit

Die dritte Säule bildet die Umsetzbarkeit: Praktische Handhabbarkeit für Netzbetreiber, nachvollziehbare Abrechnungen und begrenzte administrative Komplexität sind Grundvoraussetzungen. Die beste Reform scheitert, wenn sie in der Praxis nicht umsetzbar ist. Gerade kommunale Stadtwerke mit begrenzten IT-Ressourcen und Personalkapazitäten müssen das System handhaben können. Die Balance zwischen Detailschärfe und Praktikabilität ist eine der größten Herausforderungen für die BNetzA.

4. Finanzierungsbeteiligung

Die vierte Dimension schließlich ist Finanzierungsbeteiligung – eine Verbreiterung der Kostenträgerbasis soll faire Verteilung auf alle Netznutzer gewährleisten und Finanzierungslücken vermeiden. Dies ist der politisch brisanteste Aspekt: Bisher tragen ausschließlich Verbraucher die Netzkosten, während Einspeiser von der Netzinfrastruktur profitieren, ohne sich finanziell zu beteiligen. Die geplante Beteiligung von Einspeisern ist der wohl umstrittenste Aspekt der gesamten Reform und spaltet die Energiebranche in zwei Lager.

Fundamentale Änderungen zur StromNEV

Die AGNES-Reform bringt radikale Veränderungen gegenüber dem bisherigen System:

Einspeiseentgelte (NEU)

Das bisherige System erhebt rein entnahmeabhängige Netzentgelte ohne Beteiligung von Einspeisern an Netzkosten. AGNES plant dagegen:

  • Einspeiseentgelte analog zu verbrauchsseitigen Entgelten
  • Baukostenzuschüsse für Einspeiser zur Finanzierungssicherung in einspeisedominierten Regionen
  • Dies ist der wohl umstrittenste Aspekt der gesamten Reform

Neue Preiselemente

Statt der bisherigen Struktur werden eingeführt:

  • Grundpreis: Für grundlegende Netzbereitstellung
  • Kapazitätspreis: Zur besseren Reflexion strukturabhängiger Kosten
  • Arbeitspreis: Weiterhin für den tatsächlichen Energiebezug

Dynamische und zeitvariable Netzentgelte

Zeitvariable Netzentgelte – statisch mit festen Zeitzonen oder dynamisch basierend auf tatsächlicher Netzauslastung – werden schrittweise eingeführt. Dies setzt allerdings weitreichende Digitalisierung mit Smart Metern voraus.

Sonderregelungen für Stromspeicher

Besondere Aufmerksamkeit erhalten Stromspeicher:

  • Vermeidung der Doppelbelastung durch Entnahme und Einspeisung
  • Honorierung netzdienlicher Betriebsweise
  • Diskussion um die Nachfolge der bis August 2029 laufenden Netzentgeltbefreiung nach §118 Abs. 6 EnWG ist hochkontrovers
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BNetzA-Diskussionspapiere und Verfahrensstand

Diskussionspapier vom 12. Mai 2025

Die BNetzA veröffentlichte das zentrale Diskussionspapier zur Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (Verfahrensnummer GBK-25-01-1#3) mit sechs Hauptthemen:

  1. Einspeiseentgelte
  2. Baukostenzuschüsse für Einspeiser
  3. Neue Preiselemente (Grund-, Kapazitäts-, Arbeitspreis)
  4. Dynamische Netzentgelte
  5. Speicherentgelte
  6. Bundeseinheitliche VNB-Netzentgelte

Die Konsultationsfrist endete am 30. Juni 2025 mit über 100 Stellungnahmen von Verbänden, Unternehmen und Stakeholdern.

Diskussionspapier Industrienetzentgelte (24. September 2025)

Ein zweites Papier widmet sich spezifisch Industrienetzentgeltreduzierungen und präsentiert drei Regelungsvorschläge:

  • Marktorientierte Flexibilität: Rabatte bei Mehrverbrauch in Niedrigpreisphasen
  • Netzdienliche Flexibilität: Anreize für Speichernutzung
  • Direkte Steuerbarkeit: Rabatte für Netzbetreiberzugriff

Dies ist ein deutlicher Bruch mit der bisherigen 7.000-Stunden-Regelung des §19 StromNEV.

Zeitplan: Von der Konsultation zur Umsetzung

Der AGNES-Zeitplan folgt einem straffen Fahrplan:

2025: Konsultation und Dialog

  • 12. Mai 2025: Veröffentlichung Diskussionspapier
  • 2./3. Juni 2025: AGNES-Workshop in Bonn (150 Teilnehmer vor Ort)
  • 30. Juni 2025: Ende der Konsultationsphase
  • 24. September 2025: Diskussionspapier Industrienetzentgelte
  • 🔄 Zweites Halbjahr 2025: Weitere Expertenworkshops

2026: Konkretisierung

  • 📅 Q1 2026: Konkretisiertes Eckpunktepapier
  • 📅 Mitte 2026: Festlegungsentwurf
  • 📅 Ende 2026: Finale Festlegung

2027-2028: Umsetzungsphase

Zwei Jahre für:

  • IT-Systemanpassungen
  • Prozessänderungen
  • Organisatorische Umstrukturierung
  • Mitarbeiterschulung
  • Kundenkommunikation

1. Januar 2029: Inkrafttreten

Verbindlicher Start von AGNES – zeitgleich mit dem Außerkrafttreten der StromNEV. Der begleitende Smart-Meter-Rollout muss bis Ende 2030 95 Prozent der Pflichtfälle erreichen.

Auswirkungen auf Netzbetreiber

Verteilnetzbetreiber (VNB)

VNB stehen vor fundamentalen Herausforderungen:

Neue Anforderungen:

  • Netzorientierte Steuerung wird ab 2029 verpflichtend
  • Steuerung basierend auf Echtzeitdaten und Netzzustandsermittlung
  • Smart Meter Gateway Administration (technisch und administrativ)

Finanzielle Aspekte:

  • Ausgleichsmechanismen: Betreiber mit starker EE-Integration erhalten Ausgleich für Mehrkosten
  • Mögliche Einspeiseentgelte zur Verbreiterung der Finanzierungsbasis
  • ⚠️ Reduzierte Erlöse durch individuelle Netzentgelte und Sonderregelungen

Herausforderungen:

  • IT-Investitionen im dreistelligen Millionenbereich für größere Stadtwerke
  • Personelle Aufstockung für Smart Metering und Netzsteuerung
  • Erheblich steigende Komplexität der Abrechnungssysteme

Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB)

ÜNB fungieren als zentrale Koordinatoren:

  • Ausgleich entgangener Erlöse der VNB untereinander
  • Verteilung der Kosten als „Aufschlag für besondere Netznutzung" auf Netzentgelte (ersetzt ab 2025 die §19 StromNEV-Umlage)
  • Zentrale Rolle bei bundesweiter Netzsteuerung

Aktueller Stand:

  • ÜNB-Netzentgelte wurden bereits 2023 vereinheitlicht
  • EE-Netzkostenverteilung verteilt ab 2025 2,4 Milliarden Euro um
  • Aufschlag von 1,56 ct/kWh für besondere Netznutzung

Auswirkungen auf Anlagenbetreiber

PV- und EE-Anlagen über 7 kW

Neue Belastung:

  • Erstmalige Belastung durch Einspeiseentgelte ab 2029
  • Neue Beteiligung an Netzkosten

Reaktionen:

  • Massive Proteste der PV-Branche
  • Petitionen gegen „Bestrafung" der Einspeisung
  • Investitionsunsicherheit

Positive Aspekte:

  • Schnellere Netzanbindung durch flexible Netzanschlussvereinbarungen

Batteriespeicherbetreiber

Existenzielle Bedrohung:

  • ⚠️ Netzentgeltbefreiung endet August 2029
  • Industrie warnt vor Unwirtschaftlichkeit und Investitionsstopp
  • Risiko der Doppelbelastung (Laden + Entnahme)

Batteriespeicher-Allianz:

  • Im Juli 2025 gegründet aus 20 Unternehmen
  • Fordert Verlängerung der Befreiung bis mindestens 2034
  • Warnung: „Leistungspreis würde Ende der marktgetriebenen Speichererweiterung bedeuten"

§14a EnWG-Anlagen (Wärmepumpen, Wallboxen)

Anreize durch reduzierte Netzentgelte bei Akzeptanz netzorientierter Steuerung:

ModulRabattBedingung
Modul 1110-190 € brutto/JahrPauschaler Rabatt
Modul 260% Arbeitspreis-ReduzierungSeparater Zählpunkt
Modul 3VariabelZeitvariable Netzentgelte (ab April 2025)
  • Neuanlagen: Regelungen gelten sofort
  • Bestandsanlagen: Übergangszeit bis Ende 2028

Auswirkungen auf Endkunden

Haushaltskunden

Strukturelle Verschiebung:

  • Netzentgeltstruktur verschiebt sich von Arbeits- zu Grundpreis
  • Stärkere Gewichtung pauschaler Komponenten
  • Dynamische Tarife ab 2025 für Smart-Meter-Kunden verpflichtend

Kosten:

  • Netzkosten steigen von circa 30 Mrd. € (aktuell) auf über 70 Mrd. € (2045)
  • Smart Meter Pflicht für Verbraucher über 6.000 kWh/Jahr
  • Kosten für Smart Meter auf 20 €/Jahr für normale Haushalte gedeckelt

Chancen:

  • Preissignale zur Lastverschiebung
  • Potenzielle Kosteneinsparungen durch flexibles Verbrauchsverhalten

Gewerbe und Industrie

Fundamentaler Wandel bei Industrienetzentgelten:

  • §19 StromNEV-Reform wird in AGNES integriert
  • Leistungspreis könnte durch Kapazitätspreis ersetzt werden
  • Anreize für netzdienliches Verhalten und Lastmanagement

Paradigmenwechsel:

  • Weg von der bisherigen 7.000-Stunden-Bandlastregelung
  • Hin zu Flexibilität und netzdienlichem Verhalten

Die großen Kontroversen

Die AGNES-Reform spaltet die Energiebranche in fundamentalen Fragen. Was auf den ersten Blick wie technische Details der Netzentgeltberechnung erscheint, entscheidet über Investitionen in Milliardenhöhe, über die Wirtschaftlichkeit ganzer Geschäftsmodelle und letztlich über das Gelingen der Energiewende. Drei Konfliktlinien dominieren die Debatte.

1. Einspeiseentgelte – Der Hauptkonflikt

Einspeiseentgelte sind der meistkontroverse Aspekt der gesamten Reform. Die BNetzA diskutiert drei grundsätzlich verschiedene Modelle mit dramatisch unterschiedlichen finanziellen Auswirkungen:

ModellUmfangBetrag
Paritätische KostenbeteiligungHälftige Aufteilung~16,5 Mrd. € für Einspeiser
SystemdienstleistungskostenRedispatch, Regelleistung, Netzreserve~7,3 Mrd. €
NetzintegrationskostenNur EE-bedingte Integrationskosten~2,4 Mrd. €

Die Spanne reicht von 2,4 bis 16,5 Milliarden Euro – eine Größenordnung, die verdeutlicht, welche finanziellen Interessen auf dem Spiel stehen. Die Ausgestaltung könnte als Arbeitspreis (€/kWh), Leistungspreis (€/kW), Kapazitätspreis oder Grundpreis erfolgen, mit jeweils unterschiedlichen Anreizwirkungen.

BNetzA-Präsident Klaus Müller und die Befürworter argumentieren mit drei Hauptargumenten: Erstens die Verbreiterung der Finanzierungsbasis – bei 360 Milliarden Euro Investitionsbedarf bis 2045 und gleichzeitig sinkender Stromnachfrage durch Effizienzgewinne drohe eine Finanzierungslücke, wenn nur Verbraucher zur Kasse gebeten werden. Zweitens die Verursachungsgerechtigkeit – auch Einspeiser nutzen die Netzinfrastruktur, verursachen Netzausbaukosten (insbesondere in Norddeutschland für EE-Integration) und sollten sich daher beteiligen. Drittens die internationale Vergleichbarkeit – in vielen europäischen Ländern zahlen Einspeiser bereits Netzentgelte.

Die EE-Branche – angeführt von BWE (Bundesverband WindEnergie), BEE (Bundesverband Erneuerbare Energie) und Solarverbänden – lehnt kategorisch ab und mobilisiert massiv dagegen. Die Gegenargumente sind schlagkräftig: Einspeiseentgelte würden den EE-Ausbau gefährden, gerade in der kritischen Phase bis 2030, wo die Ausbauziele ohnehin kaum erreichbar scheinen. Sie schaffen eine Doppelbelastung – höhere Projektkosten führen zu höherem EEG-Förderbedarf, die Kosten werden nur vom Netzentgelt zum Bundeshaushalt verlagert, nicht aber gesenkt. Gesamtgesellschaftlich entstehe kein Vorteil.

Besonders private Solaranlagen würden ausgebremst, wenn Eigenheimbesitzer nicht nur für den Strombezug, sondern auch für die Einspeisung ihrer PV-Überschüsse zahlen müssen. Die Bestandsschutz-Problematik verschärft die Lage: Können Anlagen, die bereits gebaut sind und deren Wirtschaftlichkeitsberechnung keine Einspeiseentgelte enthielt, rückwirkend belastet werden, ohne Eigentumsrechte zu verletzen? Die Petition gegen „Bestrafung" der Einspeisung sammelt zehntausende Unterschriften und zeigt die emotionale Aufladung des Themas.

2. Speicherprivilegierung – Systemdienlichkeit versus Marktverzerrung

Die Speicherprivilegierung spaltet ebenso: Die BNetzA betont, eine Überprüfung der bis August 2029 laufenden Netzentgeltbefreiung nach §118 Abs. 6 EnWG sei notwendig. Aus regulatorischer Sicht ist die Frage berechtigt: Warum sollen Batteriespeicher dauerhaft von Netzentgelten befreit sein, wenn sie wirtschaftlich arbeiten können? Ist die Privilegierung noch als Anschubfinanzierung zu rechtfertigen oder wird sie zur Dauersubvention?

Die im Juli 2025 gegründete Batteriespeicher-Allianz aus 20 Unternehmen – darunter STABL Energy, Kyon Energy und weitere Player – fordert vehement eine Befreiung bis mindestens 2034 und warnt vor dem Ende des „market ramp-up". Die Argumentation ist überzeugend: Sonderbehandlung sei systembedingt notwendig für Netz- und Systemdienlichkeit. Batteriespeicher leisten essenzielle Dienste für die Netzstabilität, ermöglichen die Integration fluktuierender erneuerbarer Energien und vermeiden teure Netzausbaumaßnahmen.

Das zentrale Problem ist die Doppelbelastung: Speicher entnehmen Strom (Laden) und speisen Strom ein (Entladen). Würden für beide Vorgänge Netzentgelte fällig, entstünde eine doppelte Belastung, die bei 10-15 Prozent Speicherverlust und zweimaliger Netzentgeltbelastung die meisten Geschäftsmodelle unwirtschaftlich machen würde. Kyon-Geschäftsführer Benedikt Deuchert warnt eindringlich: „Ein Leistungspreis würde das Ende der marktgetriebenen Speichererweiterung bedeuten."

Ohne Privilegierung drohe ein Investitionsstopp bei Speichern, die für die Energiewende essentiell sind. Deutschland hat ambitionierte Speicherziele – 2023 waren 7,5 GW Batteriespeicherleistung installiert, bis 2030 werden 20-30 GW benötigt. Ein regulatorischer Bruch würde diese Entwicklung gefährden. Die BNetzA steht vor der schwierigen Abwägung zwischen Kostenwahrheit und Technologieförderung.

3. Vermiedene Netznutzungsentgelte (vNNE) – Kommunale KWK in Existenznot

Die vermiedenen Netznutzungsentgelte sind eine existenzielle Frage für kommunale Kraft-Wärme-Kopplung. Die vorzeitige Abschmelzung ab 2026 – 25 Prozent Reduktion jährlich bis zur vollständigen Abschaffung 2029 – trifft kommunale Stadtwerke mit eigenen KWK-Anlagen hart. Der VKU kämpft vehement für den vollständigen Erhalt.

Die Logik hinter vNNE ist einleuchtend: Dezentrale Erzeugung, die direkt im Verteilnetz einspeist, vermeidet die Nutzung vorgelagerter Netzebenen und damit Netzkosten. Diese Kostenersparnis wird über vNNE an den Betreiber weitergegeben. Das Konzept stammt aus einer Zeit, als Großkraftwerke in der Höchstspannung einspeisten und Strom durch alle Spannungsebenen transformiert werden musste. Dezentrale KWK-Anlagen sparen diese Transformationsstufen ein.

Die Gegner von vNNE argumentieren, dass in Zeiten massiver erneuerbarer Einspeisung im Verteilnetz die Logik nicht mehr greife. Tatsächlich fließt heute oft mehr Strom von unten nach oben (von Nieder- zu Mittel- zu Hochspannung) als umgekehrt. Netzverstärkung findet gerade in den unteren Spannungsebenen statt, nicht mehr primär oben. Die „vermiedenen" Kosten würden also nicht mehr vermieden.

Der VKU kontert: KWK-Anlagen kombinieren dezentrale Erzeugung mit Wärmeerzeugung und gewährleisten Versorgungssicherheit. Sie sind regelbar, liefern auch bei Dunkelflaute und stabilisieren das Netz. Ohne vNNE drohten Stilllegungen, was zu höheren Wärmepreisen für Mieter, erhöhtem Bedarf an teurem Netzausbau und paradoxerweise mehr neuen Gaskraftwerken führen würde – volkswirtschaftlich kontraproduktiv. Kommunale Anlagen finanzieren sich zu erheblichem Teil über vNNE-Zahlungen; der Wegfall würde eine „kritische Wirtschaftlichkeitslücke" reißen und die Wärmewende gefährden, insbesondere für Mieter in Mehrfamilienhäusern, die auf Fernwärme angewiesen sind.

Die Abschmelzung kritisiert der VKU als „überraschend" und „nicht nachvollziehbar" – viele Stadtwerke hatten mit Bestandsschutz bis zum Ende der technischen Lebensdauer ihrer Anlagen gerechnet. Langfristige Investitionsentscheidungen wurden auf Basis der bisherigen Regulierung getroffen. Der vorzeitige Wegfall erschüttert das Vertrauen in regulatorische Verlässlichkeit.

Weitere Kontroversen

Die Digitalisierungsanforderungen für dynamische Netzentgelte werden kontrovers diskutiert: Die BNetzA plant ambitionierte Dynamisierung, die Branche konstatiert jedoch, der Smart-Meter-Rollout sei viel zu langsam für 2029. BNetzA-Abteilungsleiter Achim Zerres nannte dies selbst „besonders herausfordernd". Die Praktikabilitätsfrage bleibt offen: Ist das technisch bis 2029 machbar, oder baut die BNetzA ein Regelwerk für eine Infrastruktur, die noch gar nicht existiert?

Industrierabatte stehen vor einem Paradigmenwechsel: Die alte 7.000-Stunden-Bandlastregelung wird abgelöst durch Markt- oder Netzdienlichkeit mit Flexibilitätsanforderungen. Die Industrie sorgt sich um ihre Produktionsprozesse und Finanzierungsplanungen. Circa 400 Bandlastkunden und 4.200 atypische Netznutzer sind betroffen. Für energieintensive Unternehmen wie Aluminiumhütten, Chemieparks oder Papierfabriken können Netzentgeltänderungen über Standortentscheidungen entscheiden.

Die regionale Kostenverteilung entzweit Nord und Süd: Nord- und Nordostdeutschland klagen über unfaire Belastung durch EE-Ausbau – Netzentgelte liegen bei 10-15 ct/kWh. Süddeutschland lehnt Quersubventionierung ab – Netzentgelte liegen bei 5-8 ct/kWh. Ein Kompromiss zu bundeseinheitlichen Verteilnetzentgelten ist nicht gefunden. Bayern und Baden-Württemberg fürchten, für den Windausbau an der Küste zur Kasse gebeten zu werden, während Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern argumentieren, sie bauten die Windkraft für ganz Deutschland.

Positionen der Verbände

Die Verbändelandschaft der deutschen Energiewirtschaft ist in der AGNES-Frage tief gespalten. Während alle die Notwendigkeit einer Reform anerkennen, gehen die Vorstellungen über die konkrete Ausgestaltung weit auseinander – ein Spiegelbild der unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Kundenstrukturen.

BDEW: Technokratisch-marktorientiert

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vertritt ein breites Spektrum von überregionalen Konzernen bis zu Stadtwerken und bevorzugt einen technokratisch-marktorientierten Ansatz. Die zentrale Forderung lautet: Kapazitätspreis statt Grundpreis. Der BDEW präferiert kW-basierte Kapazitätsentgelte, die kostenreflexiv an der tatsächlichen Netzanschlusskapazität bemessen werden. Flexibilisierung durch Unterscheidung zwischen „gesicherter" und „unterbrechbarer" Kapazität sowie saisonale Kapazitätsbuchungen werden gewünscht.

Pauschale Grundpreise lehnt der BDEW als „zu pauschal" ab, da sie zu Verwerfungen führen würden. Ein Haushalt mit 3.000 kWh Jahresverbrauch würde genauso belastet wie ein Haushalt mit 10.000 kWh – aus BDEW-Sicht eine unfaire Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Das präferierte Modell kombiniert einen Kapazitätspreis mit gegebenenfalls Arbeitspreis plus einem kleinen Grundpreis für Gemeinkosten.

Die strikte Ablehnung von Einspeiseentgelten ist der prominenteste Kritikpunkt des Verbandes. Der BDEW argumentiert mit Komplexitätsexplosion, Bestandsschutz-Konflikten und einem kontraproduktiven Förderkreislauf: Höhere Projektkosten führen zu höherem EEG-Förderbedarf, Kosten werden nur verlagert statt gesenkt. Der Verband befürchtet außerdem Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen Erzeugern und mangelnde Standortsteuerung, da die Flächenkulisse für erneuerbare Energien durch Raumordnung bereits vorgegeben ist. Höhere nationale Großhandelspreise und steigende Industriestromkosten sind weitere Sorgen.

Bei dynamischen Netzentgelten fordert der BDEW schrittweise und vorsichtige Einführung, beginnend in höheren Spannungsebenen für Großbatteriespeicher und Elektrolyseure. Erst müssten Erfahrungen aus §14a EnWG gesammelt, dann das System ausgebaut werden. Die Warnung ist klar formuliert: „Ohne Flexibilisierung der Netzentgelte können Entgelte für Stromeinspeisung keine kostendämpfende Wirkung entfalten."

Für Speicher und Elektrolyseure fordert der BDEW Entfristung und technologieneutrale Ausgestaltung von §118 Abs. 6 EnWG mit Bestandsschutz für Anlagen vor dem 4. August 2029. Arbeitspreise für Speicher seien ungeeignet, da sie Flexibilitätsbereitstellung behindern. Die zentrale Leitlinie lautet: Netzdienlichkeit als Kriterium für Entgeltreduzierung, nicht Pauschalisierung nach Nutzergruppe.

VKU: Praktisch-kommunalorientiert

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der 1.592 Stadtwerke mit 66 Prozent Marktanteil Strom vertritt, nimmt eine praktisch-kommunalorientierte Perspektive ein. Im deutlichen Gegensatz zum BDEW spricht sich der VKU für stärkere Gewichtung des Grundpreises aus. Für Netznutzer in der Niederspannung ohne Leistungsmessung müsse die Erhebung von Grundpreisen sogar vorgeschrieben werden. Kapazitätsnetzentgelte könnten ergänzend für Kunden mit Leistungsmessung sinnvoll sein.

Dieser fundamentale Unterschied zum BDEW reflektiert die Realität kommunaler Verteilnetzbetreiber mit vielen Standardlastprofil-Kunden, bei denen eine individuelle Kapazitätserfassung technisch schwieriger und administrativ aufwendiger ist. Kleinere Stadtwerke mit 20.000 bis 50.000 Kunden können nicht dieselbe IT-Infrastruktur vorhalten wie Konzerne mit Millionen Kunden.

Bei Einspeiseentgelten ist der VKU pragmatischer als der BDEW: Der Verband begrüßt grundsätzlich eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis durch Beteiligung von Einspeisern, fordert aber faire Ausgestaltung, Verursachungsgerechtigkeit und Praktikabilität. Dies ist eine prinzipiell offenere Position als die kategorische BDEW-Ablehnung – wohl auch, weil kommunale Netzbetreiber in einspeisedominierten Regionen unter besonderem Kostendruck stehen.

Die existenzielle Bedeutung vermiedener Netznutzungsentgelte (vNNE) für kommunale KWK-Anlagen dominiert jedoch die VKU-Position. Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing kämpft vehement: „Der Verband kommunaler Unternehmen setzt sich für den vollständigen Erhalt der vermiedenen Netznutzungsentgelte ein." Die Argumentation ist überzeugend: KWK-Anlagen seien unverzichtbar für Versorgungssicherheit, dezentrale Erzeugung reduziere Netzbelastung und Netzverluste. Ohne vNNE drohten Stilllegungen bestehender Anlagen, höhere Strom- und Wärmepreise, erhöhter Bedarf an teurem Netzausbau und paradoxerweise mehr neue Gaskraftwerke – volkswirtschaftlich unsinnig.

Die vorzeitige Abschmelzung ab 2026 kritisiert der VKU scharf als „überraschend" und „nicht nachvollziehbar". Kommunale Anlagen finanzieren sich zu erheblichem Teil über vNNE-Zahlungen; der Wegfall würde eine „kritische Wirtschaftlichkeitslücke" reißen und die Wärmewende gefährden, insbesondere für Mieter in Mehrfamilienhäusern. Hier treffen energiepolitische Ziele – Kostenwahrheit bei Netzentgelten versus Förderung dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung – hart aufeinander.

Bei dynamischen Netzentgelten mahnt der VKU zu Pragmatismus. Die §14a EnWG-Umsetzung mit dem Instrument „Spitzenglättung" sollte kurz- und mittelfristig Priorität haben als no-regret-Maßnahme. Zeitvariable Netzentgelte in Niederspannung seien langfristig in vereinfachter Form denkbar, derzeit aber weder Notwendigkeit noch Vorteilhaftigkeit absehbar. Die Mahnung zu einfachen, handhabbaren Regelungen durchzieht alle VKU-Stellungnahmen – ein Appell an die BNetzA, die Umsetzungskapazität kleinerer Stadtwerke nicht zu überfordern.

Workshop-Ergebnisse (2./3. Juni 2025 in Bonn)

Der zweitägige AGNES-Workshop im LVR-LandesMuseum markierte einen Wendepunkt:

Konsens (breite Zustimmung):

  • ✅ Reform nur mit hoher Transparenz und enormer Kommunikation erfolgreich
  • Schrittweise Weiterentwicklung statt „Big Bang"
  • ✅ BNetzA muss in Festlegung den Weg klar darstellen

Kapazitätsentgelte:

  • Breite Zustimmung für stärkere Berücksichtigung individueller Kapazität
  • Abkehr von stark mengenabhängigen Netzentgelten
  • Abbau von Flexibilitätshemmnissen als Priorität

Dynamische Netzentgelte:

  • Potenziell wertvoll zur Netzauslastungsoptimierung
  • Aber: Komplexität muss beherrschbar bleiben
  • Forderung nach schrittweiser Einführung: „einfach beginnen, später erhöhen"

Einspeiseentgelte (kritisch):

  • Nutzen für Gesamtsystem muss erst untersucht werden
  • Zusätzliche Komplexität bewerten
  • Auswirkungen auf EEG-Förderung berücksichtigen

Speicher:

  • Einigkeit über Differenzierung nach Netznutzung statt Nutzergruppe
  • Vermeidung von Doppelbelastung
  • Honorierung netzdienlicher Betriebsweise

Technische Herausforderungen

Smart Meter Rollout – Die Achillesferse

Aktueller Stand:

  • Deutlich hinter Zeitplan
  • Nur 3 zertifizierte Smart Meter Gateway-Hersteller
  • Interoperabilität zwischen Systemen fehlt
  • Mobilfunk-Netzabdeckung in ländlichen Gebieten unzureichend

AGNES-Anforderungen bis 2030:

  • 95% der Pflichtfälle ausgestattet
  • Viertelstundengenaue Datenübermittlung an Netzbetreiber
  • CLS-Kanal für Gerätesterung
  • BSI-Zertifizierung nach Protection Profile

Technische Probleme:

  • Anbindung mehrerer Zähler an ein Gateway
  • Komplexe Firmware-Updates und Parametrierung
  • Physische Installation in Bestandsgebäuden

IT-Systeme und Abrechnungssysteme

Fundamentale Anpassungen erforderlich:

Abrechnungssysteme (SAP IS-U etc.):

  • Integration intelligenter Messsysteme
  • Neue Preisblätter und Entgeltkomponenten
  • Dynamische Tarifmodelle
  • Zeitreihen-Verarbeitung in Echtzeit

Marktkommunikationssysteme:

  • Anpassung an MaKo 2022/2025
  • Integration neue Marktrolle „Energieserviceanbieter"
  • Erweiterte UTILMD/MSCONS-Formate
  • Automatisierte Stammdatenverwaltung

Gateway-Administration:

  • Advanced Meter Management (AMM)
  • Head-End-Systeme (HES) für Datenaggregation
  • Meter Data Management (MDM)
  • CRM-Integration

Aufwand:

  • SAP-Customizing: 6-12 Monate Projektlaufzeit
  • Middleware-Entwicklung: Erheblicher Programmieraufwand
  • Testing: Kritisch wegen Massendatenfähigkeit

Lastmanagementsysteme

Echtzeitfähigkeit erforderlich:

  • Netzzustandsermittlung und Steuerung innerhalb Sekunden
  • KI-gestützte Prognosemodelle für Netzlast und EE-Einspeisung
  • Koordination zwischen VNB und ÜNB
  • Skalierbarkeit für Millionen steuerbarer Verbrauchseinrichtungen

Herausforderungen:

  • Heterogene Gerätelandschaft (verschiedene Hersteller, unterschiedliche Protokolle)
  • Latenzzeiten bei Mobilfunk und Powerline Communication
  • Datenschutz bei granularer Verbrauchserfassung

Rechtliche Herausforderungen

EU-rechtliche Grundlagen

Clean Energy Package:

  • Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EU) 2019/944
  • Elektrizitätsbinnenmarktverordnung (EU) 2019/943
  • Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II)

EuGH-Urteil vom 2. September 2021 (C-718/18):

  • Grundlage der gesamten Reform
  • Entscheidungskompetenz für Entgeltmethoden liegt bei Regulierungsbehörde
  • Nicht beim Gesetz- oder Verordnungsgeber
  • Regulierungsbehörde muss frei von politischen Einflüssen agieren

EuGH-Urteil vom 28. November 2024:

  • Deutsche Regelung zu §3 Nr. 24a EnWG teilweise EU-rechtswidrig
  • Massive Auswirkungen auf Privilegierungen
  • Überprüfung bestehender Geschäftsmodelle erforderlich

Verfassungsrechtliche Fragen

Eigentumsgarantie (Art. 14 GG):

  • Vermiedene Netzentgelte und schrittweise Absenkung ab 2026
  • Vertrauensschutz für getätigte Investitionen (insbesondere Batteriespeicher)
  • Verhältnismäßigkeit der Umstellung

Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG):

  • Rechtfertigung unterschiedlicher Entgelte für verschiedene Nutzergruppen
  • Sachgerechte Differenzierung zwischen Einspeisern und Verbrauchern

Implementierungsrisiken

Regulatorisches Neuland:

  • Klagewelle gegen BNetzA-Festlegung zu erwarten
  • Jahrelange gerichtliche Klärung möglich

Beihilfenrecht:

  • EU-Kommission prüft Privilegierungen kritisch
  • Risiko nachträglicher Nichtigkeitserklärung einzelner Regelungen

Übergangsmanagement:

  • Rechtsunsicherheit für Investitionen ab 2026
  • Langfristige Verträge (PPAs, Speicherprojekte) mit Unsicherheiten behaftet

Vollzugsdefizite:

  • Zeitknappheit (zwei Jahre Umsetzung möglicherweise nicht ausreichend)
  • Komplexität (Risiko der Nicht-Umsetzbarkeit einzelner Elemente)
  • Personalmangel bei BNetzA, Netzbetreibern und MSB
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FAQ: Die 5 häufigsten Fragen zu AGNES

Wann tritt AGNES in Kraft?

AGNES tritt am 1. Januar 2029 verbindlich in Kraft – zeitgleich mit dem Außerkrafttreten der StromNEV zum 31. Dezember 2028. Die finale Festlegung durch die BNetzA erfolgt Ende 2026, sodass zwei Jahre für die Umsetzung bleiben.

Muss ich als PV-Anlagenbetreiber künftig Netzentgelte zahlen?

Für PV-Anlagen über 7 kW droht ab 2029 eine erstmalige Belastung durch Einspeiseentgelte. Die konkrete Ausgestaltung (Höhe, Berechnungsmethode) wird erst in der finalen Festlegung Ende 2026 feststehen. Kleinere Anlagen könnten ausgenommen werden.

Was passiert mit meiner Netzentgeltbefreiung für Batteriespeicher?

Die Netzentgeltbefreiung nach §118 Abs. 6 EnWG läuft im August 2029 aus. Die Batteriespeicher-Allianz fordert eine Verlängerung bis mindestens 2034. Ohne Verlängerung droht eine Doppelbelastung (Laden + Entnahme), die viele Geschäftsmodelle unwirtschaftlich machen würde. Die Entscheidung fällt in der finalen Festlegung Ende 2026.

Wie wirken sich dynamische Netzentgelte auf meinen Strompreis aus?

Dynamische Netzentgelte setzen Preissignale zur Lastverschiebung: In Zeiten hoher Netzauslastung sind sie höher, in Zeiten niedriger Auslastung niedriger. Durch flexibles Verbrauchsverhalten (z.B. Laden des E-Autos nachts) können Sie Kosten sparen. Voraussetzung ist ein Smart Meter. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt schrittweise, beginnend bei höheren Spannungsebenen und großen Verbrauchern.

Bekommt mein Stadtwerk noch vermiedene Netznutzungsentgelte für unsere KWK-Anlage?

Die vermiedenen Netznutzungsentgelte (vNNE) werden ab 2026 schrittweise abgeschmolzen: 25% in 2026, 50% in 2027, 75% in 2028, vollständige Abschaffung ab 2029. Der VKU kämpft vehement für den vollständigen Erhalt, da KWK-Anlagen Versorgungssicherheit gewährleisten und dezentrale Erzeugung Netzbelastung reduziert. Die finale Entscheidung liegt bei der BNetzA.

Kompromissvorschläge und Ausblick

Angesichts der verhärteten Fronten versuchen mehrere Kompromissvorschläge, Brücken zwischen den Lagern zu bauen. Der BWE schlägt vor, die Redispatch-Vergütung statt pauschaler Einspeiseentgelte für höhere Netzebenen abzuschmelzen – ein Ansatz, der gezielt bei den Verursachern hoher Redispatch-Kosten ansetzt, statt alle Einspeiser pauschal zu belasten. Der BEE bevorzugt eine regional differenzierte Grundpreiskomponente in der Niederspannung statt voller Einspeiseentgelte – damit würden zumindest kleine PV-Anlagen geschont. Die Batteriespeicher-Allianz präsentiert einen Stufenplan bis 2034 mit schrittweiser Integration, der Bestandsschutz für Altanlagen vorsieht und Neuanlagen graduell an die Netzentgeltpflicht heranführt. Die Industrie fordert Flexibilitätsboni statt Strafzahlungen – eine Umkehrung der Logik von Entgeltreduzierung zu Entgelterhöhung für netzdienliches Verhalten.

Trotz dieser konstruktiven Vorschläge bleiben zentrale Fragen ungelöst: Wie hoch werden Einspeiseentgelte konkret ausfallen? Die Spanne von 2,4 bis 16,5 Milliarden Euro ist zu groß für belastbare Investitionsentscheidungen. Welche Übergangsregelungen gelten für Bestandsanlagen? Ohne Bestandsschutz drohen verfassungsrechtliche Klagen, mit Bestandsschutz könnte das System zu komplex werden. Wie wird der Smart-Meter-Rollout beschleunigt? Die bisherige Geschwindigkeit reicht nicht für AGNES 2029. Wie werden alle NEST-Komponenten aufeinander abgestimmt? Die gleichzeitige Umsetzung von NEST (Netzausbaubeschleunigung, Elektrifizierung, Speicher, Technologieneutralität) und AGNES überfordert möglicherweise die Kapazitäten der Branche. Wird der ambitionierte Zeitplan gehalten? Zwei Jahre Umsetzungszeit von der finalen Festlegung Ende 2026 bis zum Inkrafttreten 2029 erscheinen knapp bemessen.

Die Branchenstimmung zum AGNES-Prozess ist gespalten zwischen konstruktivem Engagement und existenziellen Sorgen. Konsens besteht, dass eine Reform notwendig ist – das alte System kann den Anforderungen der Energiewende mit dezentraler Einspeisung, bidirektionalen Energieflüssen und massivem Netzausbaubedarf schlicht nicht gerecht werden. Konflikt herrscht über die Ausgestaltung im Detail, insbesondere Einspeiseentgelte, Speicherprivilegierung und Industrierabatte. Sorge dominiert über die kumulative Belastung durch gleichzeitige NEST- und AGNES-Reformen, steigende Netzkosten von 33 Milliarden Euro (2025) auf über 70 Milliarden Euro (2045), und die Umsetzbarkeit ambitionierter Digitalisierungsziele ohne funktionierende Smart-Meter-Infrastruktur. Hoffnung besteht, dass der offene Dialog zwischen BNetzA und Stakeholdern fortgesetzt wird und schrittweise, pragmatische Lösungen gefunden werden.

Das konkretisierte Eckpunktepapier im ersten Quartal 2026 wird erste Antworten liefern müssen und als Lackmustest für die Kompromissbereitschaft der BNetzA dienen. Die BNetzA steht vor der Herausforderung, einen kaum auflösbaren Spagat zu meistern: zwischen Kostenreflexivität (die volle Einspeiseentgelte nahelegt) und Praktikabilität (die vor überbordender Komplexität warnt), zwischen Verursachungsgerechtigkeit (die Einspeiser zur Kasse bittet) und Energiewende-Förderung (die EE-Ausbau nicht behindern darf), zwischen Anreizwirkung (die dynamische Preissignale braucht) und Planbarkeit (die Investoren Sicherheit geben muss).

Der Workshop-Konsens „Evolution statt Revolution" und „schrittweise Einführung" könnte zum rettenden Leitmotiv werden. Statt eines großen Wurfs ab 2029 könnte AGNES als Rahmen verstanden werden, der über Jahre hinweg mit Leben gefüllt wird – beginnend mit einfachen, robusten Elementen (Grundpreis, Kapazitätspreis für leistungsgemessene Kunden), gefolgt von komplexeren Bausteinen (zeitvariable Netzentgelte für Smart-Meter-Kunden), und erst langfristig mit hochdynamischen Komponenten (echtzeitbasierte Preissignale, vollständig individualisierte Netzentgelte). Die finale Festlegung Ende 2026 wird zeigen, ob BNetzA-Präsident Klaus Müller und sein Team den Spagat zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und energiepolitischer Akzeptanz meistern können.

Fazit: Der Weg zur Energiewende-tauglichen Netzentgeltsystematik

AGNES ist mehr als eine Netzentgeltreform – es ist die regulatorische Grundlegung für das Energiesystem der Zukunft. Was auf den ersten Blick wie technokratische Bürokratie aussieht, entscheidet über nicht weniger als die praktische Machbarkeit der Energiewende bis 2045.

Die deutsche Energiewende steht vor einem fundamentalen Dilemma: Das Stromnetz muss 360 Milliarden Euro schwer ausgebaut werden, gleichzeitig sinkt die Finanzierungsbasis durch effizientere Verbrauchsgeräte und dezentrale Eigenversorgung. Die bisherige StromNEV stammt aus einer Zeit zentraler Großkraftwerke und unidirektionaler Energieflüsse von oben nach unten. Heute speisen Millionen dezentraler Anlagen ein, Strom fließt bidirektional, Speicher verschieben Last zwischen Tag und Nacht. Dieses neue System braucht eine neue Regulierung.

AGNES versucht, drei scheinbar unvereinbare Ziele zu erreichen: Kostenwahrheit (wer das Netz nutzt, soll zahlen), Energiewende-Förderung (erneuerbare Energien dürfen nicht ausgebremst werden) und Praktikabilität (das System muss umsetzbar sein). Der Spagat ist gewaltig. Einspeiseentgelte sind kostenreflexiv und international üblich – aber sie könnten den EE-Ausbau gefährden, gerade in der kritischen Phase bis 2030. Dynamische Netzentgelte setzen optimale Anreize für Flexibilität – aber sie setzen eine Smart-Meter-Infrastruktur voraus, die noch nicht existiert. Kapazitätspreise bilden Netzkosten besser ab – aber sie sind für Standardlastprofil-Kunden schwer zu erfassen.

Die nächsten Monate bis zum konkretisierten Eckpunktepapier im ersten Quartal 2026 werden zeigen, welchen Weg die BNetzA wählt. Wird Klaus Müller die große Vision eines kostenreflexiven, anreizkompatiblen Netzentgeltsystems durchsetzen – mit allen Konflikten und Widerständen? Oder wird AGNES zu einem pragmatischen Kompromiss abgeschliffen, der niemandem richtig wehtut, aber auch keine fundamentalen Probleme löst?

Der Erfolg von AGNES ist essentiell für das Gelingen der Energiewende bis 2045. Ein schlecht designtes Netzentgeltsystem kann Investitionen in erneuerbare Energien, Speicher und Flexibilität blockieren. Ein gut designtes System kann als Katalysator wirken und die Transformation beschleunigen. Die finale Festlegung Ende 2026 wird zeigen, ob Deutschland diese historische Chance nutzt – oder ob regulatorische Komplexität und Stakeholder-Widerstände die Reform verwässern.

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