Wie psychologische Effekte unsere Wahrnehmung beeinflussen
Priming in der Energiewirtschaft: Wie psychologische Effekte unsere Wahrnehmung beeinflussen
In der Psychologie gibt es den Begriff “Priming”, der nichts mit dem bekannten Online-Buchhändler und dessen Premium-Service zu tun hat. Vielmehr beschreibt Priming einen Reiz aus der unmittelbaren Vergangenheit, der unsere Wahrnehmung und Handlungen in der Gegenwart beeinflusst. Ein solcher Reiz erreichte mich kürzlich in Form einer E-Mail von einem Kunden, der mir mitteilte, dass er genau die negativen Erfahrungen gemacht hat, die ich in meinem Blogbeitrag “Kommunikationsprobleme in der Energiewirtschaft” beschrieben hatte.
Dieser Blogbeitrag hatte leider Pech, denn er enthielt eine Aussage von Dr. Michal Sobótka, die viele Leser verwirrte:
“Die für das CLS-Management notwendigen Prozesse sind derzeit noch in keinem der gängigen ERP-Systeme ausgeprägt. Bei SAP wird dies erst in S/4HANA der Fall sein, Anwender von SAP IS-U müssen ihre Systeme selbst entsprechend anpassen. Sobald die ERP-Systeme so weit sind, folgt die Integration in unsere Prozesse.”
Auf Deutsch übersetzt bedeutet dies, dass ein SAP-System in Zukunft schuld sein könnte, wenn mein Kühlschrank nachts um 03:00 Uhr auf die Idee kommt, zum Gefrierschrank zu mutieren und auf -25°C abzukühlen, weil gerade zu viel Strom im Netz ist.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich arbeite seit mehr als 10 Jahren mit Daten in der Energiewirtschaft und kenne die Prozesse in diesem Bereich sehr gut. Doch ich hätte nie gedacht, wie viele Fehler in diesen Daten vorhanden sind. Diese Fehler haben oft eine psychologische Ursache. Die Energiewirtschaft und ihre Marktkommunikation mit den angehängten Standardprozessen sind so überzüchtet, dass alle, die in dieser Welt arbeiten (inklusive mir), ständig bei komplexen Dingen denken, dass sie wertvoll sind, und die einfachen Dinge daher nicht funktionieren.
In den letzten Monaten habe ich immer wieder den Begriff “Datenkrake” gehört, wenn es um die moderne Welt der Netzbetreiber, Messdienstleister oder Stromlieferanten ging. Jetzt sollen wir auch noch die Kontrolle an deren Backendsysteme abgeben, von denen ich mir zu 100% sicher bin, dass kein dort arbeitender Mensch diese überblickt. Ich weiß nicht… das passt mir nicht.
Diese Erfahrungen zeigen, wie tief verwurzelt psychologische Effekte in unserer Wahrnehmung und unserem Handeln sind. Priming kann uns dazu bringen, komplexe Systeme als wertvoll zu betrachten und einfache Lösungen zu übersehen. In der Energiewirtschaft führt dies oft zu Fehlern und Ineffizienzen, die wir uns nicht leisten können. Es ist an der Zeit, einen Schritt zurückzutreten und die einfachen Dinge wieder wertzuschätzen, um eine nachhaltige und effiziente Energieversorgung zu gewährleisten.
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