Das die Wirtschaftlichkeit von dynamischen Stromtarifen, die auf Spotmarktpreisen basieren hier im Blog nicht als gegeben angesehen werden, obwohl Medien nicht müde werden nur zu sagen, dass man unter Umständen sparen kann, jedoch verschweigen, dass man auch deutlich mehr zahlen kann (vergl. Chip.de ), ist kein Geheimnis. Heute wurde per Pressemitteilung ein weiteres Angebot am Markt vorgestellt, welches ein bidirektionaler Stromtarif ist, also auch für die Einspeisung eine Dynamik anbietet. Zu lesen ist die Meldung zum Beispiel im PV-Magazin.
Die Opportunität, mit der hier Kunden geworben werden, kann wie folgt zusammengefasst werden:
Die Lösung von Sigenergy Technology und SonneNext energy ermöglicht eine intelligente Steuerung von PV-Speichersystemen und Stromverbrauchern, die sich optimal an variable Strompreise anpasst. Dadurch können Kunden von niedrigeren Kosten beim Strombezug profitieren und gleichzeitig höhere Preise für die Einspeisung von überschüssigem Strom ins Netz erzielen. Diese doppelte Kosteneinsparung erhöht die Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage.
Lasst uns dies einmal etwas auseinandernehmen, um ein Gespür dafür zu bekommen, was diese KI-gestützte Lösung dem Kunden an Rentabilität bringen könnte. Leider sind hierfür etliche Annahmen notwendig, welche jede einzeln das Ergebnis verändern, weshalb ich bitte, selbst nachzurechnen, mit eigenen Werten.
Herausforderung für die KI
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Wirtschaftlichkeit: Das System muss die Lade- und Entladevorgänge des Speichers so steuern, dass die Kosten (Netzentgelte, Steuern, Abgaben) minimiert und die Einnahmen (Einspeisevergütung) maximiert werden. Dabei müssen negative Strompreise und die Möglichkeit des Speicheraufladens aus dem Netz berücksichtigt werden.
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Vorhersage: Das System benötigt präzise Vorhersagen von Strompreisen (sowohl Einspeise- als auch Bezugspreise) und des Eigenverbrauchs des Haushalts, um optimale Entscheidungen zu treffen.
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Komplexität: Die optimale Speicherstrategie hängt von vielen Faktoren ab, die das System berücksichtigen muss, darunter:
- Aktueller und prognostizierter Strompreis
- Aktueller Ladezustand des Speichers
- Prognostizierter Eigenverbrauch
- Einspeisevergütung
- Netzentgelte, Steuern und Abgaben
Ziel der Optimierung
Das KI-System soll den Heimspeicher intelligent steuern, um die Gesamtkosten für den Nutzer zu minimieren und den wirtschaftlichen Nutzen des Speichers zu maximieren. Dies erfordert eine komplexe Analyse von Daten und die Fähigkeit, präzise Vorhersagen zu treffen.
Hypothetische Umsetzung
Die Einspeisevergütung für Solarstrom beträgt 12 Cent pro Kilowattstunde. Ab 2025 wird diese Vergütung bei negativen Strompreisen nicht mehr sofort ausgezahlt. In solchen Zeiten kann man den Strom speichern und später, zum Beispiel nachts, ins Netz einspeisen, wenn er nicht direkt verbraucht wird.
Am 21.10.2024 gab es um 05:00 Uhr morgens einen negativen Strompreis. Zu dieser Zeit wurde in Deutschland kein Solarstrom produziert, daher hätte es keinen Sinn gemacht, die Einspeisung zu verzögern. Stattdessen hätte man den Speicher aus dem Netz aufladen können. Angenommen, es war bekannt, dass es an diesem Tag keine weiteren negativen Strompreise geben würde, wäre der Speicher um 06:00 Uhr voll gewesen. Bei Sonnenaufgang um etwa 07:00 Uhr hätte die PV-Anlage begonnen, Strom zu erzeugen, und der Überschuss wäre eingespeist worden.
Bei einer typischen Heimspeichergröße von 10 kWh hätte man diese 10 kWh “optimiert” (=Opportunität). Für diese 10 kWh hätte man Netzentgelte, Steuern und Abgaben bezahlt, aber über den Tag eine zusätzliche Einspeisevergütung von 12 Cent pro Kilowattstunde erhalten. Das bedeutet, man hätte 12 Cent * 10 kWh mehr Vergütung bekommen, aber etwa 20 Cent * 10 kWh mehr an Netzentgelten und anderen Kosten bezahlt. Die KI müsste also sicherstellen, dass sie die 8 Cent pro kWh irgendwie wieder einsparen kann.
Einsparen bedeutet, dass es innerhalb des Vorhersagezeitraums von 36 Stunden einen Zeitpunkt gibt, an dem der Bezugspreis 8 Cent höher ist und 10 kWh Strombezug verhindert werden kann. Am 21.10.2024 war dies nicht der Fall. Zusätzlich muss die KI den Eigenverbrauch, also den im Haus verbrauchten Strom, sehr genau vorhersagen. Nur so kann sie bestimmen, wann ein Bezug von “8 Cent teurerem Strom” überhaupt notwendig wäre.
tl;dr
Mir ist absolut bewusst, dass dies ein konstruierter “Einzelfall” ist. Aber - ob man ein solches Angebot gut oder schlecht findet, ist eine Entscheidung, welche wir Menschen beim Lesen einer Pressemeldung oder Werbung innerhalb von Millisekunden treffen. Wir hören das Schlagwort “KI” und dynamische Strompreise bei Einspeisung und Bezug und bewerten unmittelbar. Von negativen Börsenstrompreisen hören wir ständig, dass wir dann keine Einspeisevergütung bekommen und Geld verlieren. Innerhalb derselben Millisekunden entscheiden wir, dass dieses System wertvoll sein muss und ganz viel bringt. Was damals die Blockchain gewesen ist, ist heute KI. Nur weil es etwas Komplexes ist, kann auch sie nicht mehr aus dem Markt herausholen, als tatsächlich in ihm steckt. Wir müssen immer noch Netzentgelte und Steuern zahlen…
Bitte nicht falsch verstehen, es gibt Zeitpunkte, bei denen die Rechnung vollständig andere Ergebnisse bringt, aber eine KI ist ein Algorithmus und was nicht in einem Algorithmus abgebildet werden kann, kann auch die KI nicht generieren.
Generieren - ein gutes Stichwort. Bitte lasst die bei Sigenergy Technology und SonneNext energy eingesetzte KI so clever sein, dass sie weiß, wann sie keine Optimierung vornehmen muss. Genau der Fall von oben in der hypothetischen Umsetzung hat beim Test auf Gemini, ChatGPT und Mistral nur in einem Fall ergeben, dass keine Optimierung möglich ist. Zwei andere Modelle haben eine Optimierung vorgeschlagen. Welches war hier das clevere Modell? - Schreib es in die Kommentare.
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