Am 25. November hatten wir in der Nachlese zum 06. November erörtert, was genau als Dunkelflaute bezeichnet wird. Nun sorgt ein weiteres solches Ereignis, das am 12. Dezember 2024 stattfand, für Diskussionen. Eine aktuelle Recherche der FAZ legt neue Details zu den Geschehnissen offen, die Fragen zur Marktmechanik, zum Einsatz von Reservekraftwerken und zu den Profiteuren solcher Situationen aufwerfen.
Extreme Preisausschläge bei Stromkosten
An diesem Tag erreichten die Strompreise mit 90 Cent pro Kilowattstunde (kWh) einen Spitzenwert. Selbst der tägliche Mindestpreis lag mit 50 Cent pro kWh weit über dem üblichen Niveau. Überraschenderweise blieben Reservekraftwerke, die genau für solche Situationen betriebsbereit gehalten werden, ungenutzt. Diese Kraftwerke, die durch staatlich garantierte Zahlungen für ihre Verfügbarkeit entschädigt werden, hätten in den Markt eingreifen können, taten es jedoch nicht.
Warum war das so? Der Kern der Antwort liegt im Verständnis der Funktionsweise eines freien Marktes. Hohe Preise allein sind kein Indikator für einen akuten Mangel an Strom. Stattdessen zeigen sie, dass es mindestens einen Käufer gibt, der bereit ist, diese hohen Preise zu zahlen. In diesem Fall handelte es sich offensichtlich um eine reine Marktreaktion: Wer Strom verkaufen konnte, etwa aus einem Batteriespeicher, konnte an diesem Tag eine Rendite erzielen, die viele Investoren sich erhoffen, wenn sie in solche Technologien investieren. Die Mechanismen des Marktes funktionierten also genau so, wie es das Konzept des Liberalismus vorsieht – ein Prinzip, das in seiner Reinheit kaum besser von der FDP entworfen werden könnte.
Rolle der Reservekraftwerke: Marktwirtschaft oder Marktverzerrung?
Der Gedanke liegt nahe, dass das Vorhandensein von Reservekraftwerken, die außerhalb des Marktes gehalten werden, zu einer Marktverzerrung führt. Wären diese Kraftwerke gezwungen, sich ebenfalls über den Markt zu refinanzieren, hätte das Angebot am Strommarkt größer sein können – was höchstwahrscheinlich zu niedrigeren Preisen geführt hätte. Doch die aktuelle Praxis sieht vor, dass diese Kraftwerke eine Vergütung für das „Nichtstun“ erhalten. Diese Regelung soll Versorgungssicherheit garantieren, könnte jedoch auch als Verzerrung der Marktmechanismen interpretiert werden.
Eine andere Betrachtung ist die der Akteure auf der Nachfrageseite. Einige Energieversorger, wie zum Beispiel Tibber oder 1komma5°, beziehen Strom wahrscheinlich direkt über den Terminmarkt oder OTC (vergl. dieser Beitrag) Ihre Kunden zahlen variable Preise, die an die Marktpreise gekoppelt sind. Für diese Unternehmen sind Tage mit hohen Strompreisen potenziell profitabel, da ihre Margen an solchen Tagen steigen. Man könnte also spekulieren, ob in den Büros dieser Anbieter die Sektkorken knallen, wenn in den Medien wieder über eine Dunkelflaute berichtet wird.
tl;dr Wer profitiert von der Dunkelflaute?
Dunkelflauten zeigen, wie vielschichtig die Strommärkte funktionieren. Es wird deutlich, dass hohe Preise nicht zwangsläufig auf eine Mangelsituation hindeuten. Vielmehr können solche Situationen für einige Marktteilnehmer – etwa Betreiber von Speichern oder Anbieter variabler Stromtarife – äußerst lukrativ sein. Gleichzeitig stellen sich Fragen zur Effizienz der aktuellen Reservekraftwerksregelung und zur Fairness gegenüber den Verbrauchern, die die hohen Preise letztlich zahlen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Struktur der Strommärkte und den Rahmenbedingungen für Reservekapazitäten scheint dringend geboten. Vielleicht knallen die Sektkorken ja nicht nur bei Tibber, sondern auch in den Chefetagen der Investoren, die auf diese Marktdynamik gesetzt haben.
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