Blog-Artikel: Gas- und Stromversorgung im Winter 2024/2025 – Ein Ausblick

Mit den sinkenden Temperaturen wächst die Spannung in Europa, wie robust die Energieversorgung im bevorstehenden Winter 2024/2025 tatsächlich sein wird. Die diesjährigen Aussichten, die im Rahmen eines Webinars der ENTSO-E und ENTSOG am 15. November 2024 vorgestellt wurden, zeigen eine überwiegend positive Entwicklung. Fachleute der Strom- und Gasnetzbetreiber gaben Einblicke in die Herausforderungen, Prognosen und Risikobewertungen. In diesem Blog-Artikel beleuchten wir die wichtigsten Erkenntnisse für Strom und Gas – mit besonderem Fokus auf die Lage in Deutschland.

Stromversorgung: Stabilität durch Flexibilität und Reserven

Die Stromversorgung in Europa zeigt sich für den Winter 2024/2025 widerstandsfähig. Die geplanten Abschaltungen von Kraftwerken sind niedriger als im Winter 2022/2023 und die Erneuerbaren Energien verzeichnen einen deutlichen Ausbau. Besonders Wind- und Solarkapazitäten steigen europaweit, während konventionelle Kraftwerke, insbesondere Kohlekraftwerke, weiter zurückgebaut werden.

Deutschland: Fokus auf Netzreserven und Speicherkapazitäten
Deutschland setzt auf ein ausgeklügeltes System sogenannter “Non-Market Resources”, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Dazu zählen:

  • Kapazitätsreserve: Ab 1. Oktober 2024 bis 30. September 2026 stehen 1,2 GW an Kraftwerkskapazität bereit. Diese Einheiten müssen innerhalb von zwölf Stunden einsatzbereit sein.
  • Netzreserve: Diese umfasst 8,2 GW, darunter verschiedene Kraftwerksarten, die vor allem zur Engpassbewältigung in Süd- und Westdeutschland genutzt werden.
  • Spezialnetzreserve: Schnellstartende Gaskraftwerke mit einer Kapazität von 1,2 GW, die vor allem für die Netzstabilität nach Störungen bereitstehen.

Der Strombedarf in Deutschland wird für 2024/2025 auf 503 TWh geschätzt, ein leichter Anstieg im Vergleich zu den 494 TWh des Vorjahres. Auch die prognostizierte Spitzenlast steigt auf 83 GW, bleibt aber moderat, da der Ausbau neuer Verbraucher wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge langsamer voranschreitet als ursprünglich erwartet. (Quelle:Country Comments)

Regionale Risiken in Europa
Bestimmte Regionen Europas stehen vor spezifischen Herausforderungen:

  • Irland und Nordirland: Hier könnten Engpässe bei niedriger Windproduktion und begrenzten Importen auftreten.
  • Kreta und Zypern: Aufgrund isolierter Stromnetze sind diese Inseln stärker von lokalen Ausfällen betroffen.
  • Polen: In Zeiten von schlechtem Wetter und niedriger Stromproduktion aus Erneuerbaren kann es zu Versorgungsengpässen kommen.

Gasversorgung: Hohe Speicherstände, aber Risiko bei kaltem Winter

Die Gasversorgung steht auch in diesem Winter im Zentrum der Aufmerksamkeit. Nach den Erfahrungen der Energiekrise 2022 wurden umfassende Maßnahmen ergriffen, um die Speicherfüllstände zu maximieren und die Gasimporte zu diversifizieren. Zum 1. Oktober 2024 waren die europäischen Gasspeicher zu 94 % gefüllt – deutlich über dem EU-Ziel von 90 %.

Risikomanagement in Deutschland
Die deutsche Gasspeicherstrategie und die Diversifizierung der Gasversorgung zeigen Wirkung. Dennoch bleiben einige Herausforderungen:

  • Extrem kalter Winter: In einem solchen Szenario könnten strategische Gasreserven benötigt werden, die eigentlich für außergewöhnliche Störungen vorgesehen sind.
  • Niedrige LNG-Lieferungen: Wenn die Flüssiggas-Lieferungen sinken und kein russisches Pipeline-Gas fließt, wären Nachfrageseitige Maßnahmen notwendig, um die Speicherfüllstände zu sichern.

Im europäischen Vergleich zeigen die Prognosen eine stabile Lage. Dennoch identifizieren die Analysten im Winterausblick ein sogenanntes “kritisches Gasvolumen” (CGV). Dieses Volumen ist die Gasmenge, die erforderlich ist, um Versorgungslücken zu verhindern. Für den Winter 2024/2025 liegt das CGV höher als im Vorjahr, vor allem aufgrund aktualisierter Wetterszenarien.

Regionale Gasrisiken

  • Polen: Höhere Nachfrage nach Gas bei extremer Kälte könnte zu Engpässen führen.
  • Südosteuropa: Länder wie Moldawien und die Ukraine sind aufgrund der geopolitischen Lage besonders gefährdet.
  • Kritische Kälteperioden: Während einer zweiwöchigen Kälteperiode könnte der Gasbedarf weiter steigen, sodass zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden könnten.

Deutschland im Fokus: Robust, aber Wachsamkeit erforderlich

Deutschland hat seine Energiereserven durch die Einführung der Netzreserve und der Spezialnetzreserve signifikant erweitert. Damit ist das Land besser vorbereitet als in den Vorjahren. Eine zusätzliche Reserve von 8,2 GW für die Netzreserve und 1,2 GW für die Spezialnetzreserve stehen für unvorhergesehene Bedarfslagen bereit. Diese Einheiten stehen jedoch in Konkurrenz zu ihrer Primäraufgabe, Engpässe im Netz zu beseitigen.

Die Stromnachfrage in Deutschland wird leicht steigen, bleibt aber dank des moderaten Wachstums neuer Verbraucher wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge im überschaubaren Rahmen. Die Pumpspeicherkraftwerke aus Österreich (z. B. Obere Ill-Lünersee) sind weiterhin in den deutschen Datensatz integriert und stärken die Flexibilität des Systems.

tl;dr: Gut vorbereitet, aber mit Wachsamkeit in den Winter

Die Prognosen für den Winter 2024/2025 deuten auf eine insgesamt stabile Energieversorgung in Europa hin. Deutschland hat die Versorgungssicherheit durch gezielte Reservestrategien und Speicherauffüllungen erheblich verbessert. Dennoch bleibt die Lage herausfordernd, insbesondere bei extremen Wetterbedingungen.

Strom

  • Robustheit durch Ausbau der Erneuerbaren und Rückgang der geplanten Ausfälle.
  • Deutschland ist durch seine Netzreserve von 8,2 GW und seine Spezialnetzreserve von 1,2 GW gut aufgestellt.

Gas

  • Hohe Gasspeicherstände und die Diversifizierung der Lieferanten sichern die Versorgung.
  • Dennoch besteht bei einem extrem kalten Winter ein Risiko, das durch Nachfrageanpassungen bewältigt werden müsste.

Die zentrale Botschaft des Winterausblicks lautet: Vorsicht, aber keine Panik. Europa und insbesondere Deutschland sind besser vorbereitet als in früheren Jahren. Die Übertragungsnetzbetreiber (TSOs) und Gasnetzbetreiber (ENTSOG) arbeiten eng zusammen, um Engpässe zu vermeiden und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Wer sich eingehender informieren möchte, findet die vollständigen Berichte auf den Websites von ENTSO-E und ENTSOG. Diese bieten detaillierte Einblicke in die saisonalen Prognosen für Gas und Strom, die Rolle der Netzbetreiber und die Maßnahmen zur Krisenbewältigung.

Der Winter 2024/2025 mag kalt werden – aber Europa zeigt sich gut vorbereitet.

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