Ende 2016 legte das Bundeswirtschaftsministerium mit dem Impulspapier “Strom 2030” zwölf zentrale Trends und deren zugehörige Aufgaben für die Transformation des deutschen Stromsystems vor. Nach breiter öffentlicher Konsultation wurde im Mai 2017 das finale Ergebnispapier veröffentlicht. Sieben Jahre später zeigt sich: Viele der identifizierten Aufgaben wurden erst durch die Energiekrise 2022 wirklich angegangen - mit gemischten Ergebnissen.

Aufgabe Vernachlässigt bis 2022 Auswirkung der Krise
Stromsystem flexibilisieren - Ausbau von Speicherkapazitäten- Entwicklung von Demand-Side-Management- Aufbau von Flexibilitätsmärkten - Massive Beschleunigung beim Speicherausbau- Verstärkte Investitionen in flexible Kraftwerke- Schnellere Digitalisierung des Stromverbrauchs
CO2-Emissionen verringern, Strukturwandel gestalten - Konkrete Umsetzung des Kohleausstiegs- Sozialverträgliche Transformation- Regionale Entwicklungskonzepte - Kurzzeitige Reaktivierung von Kohlekraftwerken- Dann beschleunigte Transformation- Verstärkte Förderung erneuerbarer Energien
Europäische Strommärkte integrieren - Harmonisierung nationaler Regelungen- Ausbau grenzüberschreitender Netze- Gemeinsame Marktmechanismen - Zunächst nationale Alleingänge- Dann verstärkte europäische Koordination- Beschleunigte Marktintegration
Versorgungssicherheit europäisch gewährleisten - Aufbau europäischer Reservekapazitäten- Krisenkoordination- Gemeinsame Speicherstrategien - Erkenntnis der Abhängigkeiten- Neue europäische Gasspeicherregeln- Verstärkte Koordination bei Versorgungssicherheit
Anreize für effizienten Stromeinsatz - Systematische Effizienzpolitik- Modernisierung Industrieanlagen- Verbrauchsseitige Anreize - Drastische Effizienzsteigerungen durch hohe Preise- Beschleunigte Modernisierung- Neue Förderprogramme
Sektorenkopplung vorantreiben - Integration von Wärme und Verkehr- Marktanreize für Wärmepumpen- E-Mobilität-Infrastruktur - Boom bei Wärmepumpen- Beschleunigter E-Auto-Ausbau- Verstärkte Förderung der Sektorenkopplung

tl;dr Von der Schublade in die Krisenbewältigung

Die Evaluation der “Strom 2030”-Trends offenbart ein bemerkenswertes Muster: Viele der 2016/17 identifizierten Aufgaben wurden bis 2022 eher halbherzig angegangen. Das sorgfältig erarbeitete Impulspapier und seine Handlungsempfehlungen schienen teilweise in der Schublade verschwunden zu sein. Erst der russische Einmarsch in die Ukraine und die folgende Energiekrise zwangen zu schnellem Handeln.

Ironischerweise hätte eine konsequentere Umsetzung der “Strom 2030”-Aufgaben Deutschland besser auf die Krise vorbereitet. Die Vernachlässigung wichtiger Aufgaben wie Systemflexibilisierung, europäische Integration und Sektorenkopplung rächte sich 2022.

Positiv zu vermerken ist: Die Krise wirkte als Katalysator für viele der ursprünglich identifizierten Transformationen. Was Jahre an Planung nicht bewirkten, erreichten Monate der Energiekrise: eine deutliche Beschleunigung der Energiewende. Die Herausforderung wird nun sein, diese krisengetriebene Dynamik in nachhaltige Strukturen zu überführen.

Die wichtigste Lektion aus sieben Jahren “Strom 2030”: Gute Planung allein reicht nicht. Erst wenn der Handlungsdruck groß genug ist, werden auch unbequeme Aufgaben tatsächlich angegangen. Diese Erkenntnis sollte in künftige Transformationsprozesse einfließen.

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