einfach oder doch kompliziert?

Bei einem Treffen im Rahmen meiner Tätigkeit für OpenEMS bin ich auf ein spannendes Problem gestoßen, das für das Energiemanagement von Gebäuden entscheidend sein kann. Die Idee klingt erstmal einfach:

In einem Gebäude mit PV-Anlage, Batteriespeicher, Wärmepumpe, steuerbarem Heizstab und Wallbox soll der Eigenverbrauch optimiert werden.

Doch in der Praxis zeigt sich schnell, dass es komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheint.

Lass uns die Situation einmal durchspielen: Der Nutzer installiert eine Anwendung zur Eigenverbrauchsoptimierung und erwartet, dass diese den Stromverbrauch intelligent steuert. Das Ziel? Möglichst viel von dem selbst erzeugten Strom im Gebäude zu nutzen und möglichst wenig ins Netz einzuspeisen. Typischerweise funktioniert das so: Als Erstes wird der Batteriespeicher geladen. Danach geht es an die Wärmepumpe, dann wird eventuell das Wasser über den Heizstab noch wärmer gemacht, und schließlich fließt der überschüssige Strom in das Elektroauto (sofern es angeschlossen ist). Wenn im Sommer konstant Überschüsse vorhanden sind, schaltet das System das Warmwasser irgendwann automatisch ab und das Auto wird mit höherer Leistung geladen.

Soweit so gut – wo bleibt die Herausforderung?

Das Problem beginnt, wenn der Nutzer zusätzlich ein Modul für dynamische Stromtarife aktiviert. In diesem Fall reicht die einfache „0-Auspegelung“ am Netzanschluss nicht mehr aus. Denn es könnte sinnvoll sein, das Auto aus dem Netz zu laden, wenn der Strompreis günstig ist – auch wenn genügend eigener Strom für andere Verbraucher vorhanden ist. Stellen wir uns vor, dass der Strompreis in den nächsten Tagen ansteigt und schlechtes Wetter angesagt ist. Plötzlich macht es mehr Sinn, das Auto heute günstig zu laden, anstatt darauf zu warten, dass irgendwann genügend Solarstrom zur Verfügung steht.

Nun stehen sich zwei Optimierungsziele gegenüber: Die Eigenverbrauchsoptimierung möchte nur den eigenen Strom verwenden, um das Netz zu entlasten. Das Modul für dynamische Stromtarife hingegen möchte die günstigen Strompreise ausnutzen, auch wenn dafür zusätzlicher Strom aus dem Netz benötigt wird.

Wie lässt sich dieser Konflikt lösen?

Hier stoßen wir auf die Herausforderung, dass beide Module auf unterschiedlichen „Flughöhen“ agieren. Die Eigenverbrauchsoptimierung funktioniert in Echtzeit und reagiert einfach auf den aktuellen Stromfluss: Sobald Strom verfügbar ist, werden die Geräte in einer festen Reihenfolge eingeschaltet, ohne dass eine langfristige Planung notwendig ist.

Beim dynamischen Stromtarif hingegen brauchen wir eine Art Fahrplan, der vorausschauend festlegt, wann welche Geräte wie viel Strom verbrauchen sollen. Nur so kann das System entscheiden, dass das Auto jetzt geladen wird, weil der Preis niedrig ist – auch wenn das aus Eigenverbrauchssicht nicht optimal ist. Ein solcher Fahrplan könnte auch der Eigenverbrauchsoptimierung zugutekommen. So ließen sich Geräte nacheinander aktivieren, anstatt die Stromflüsse stur in Echtzeit zu regeln.

Können beide Systeme Hand in Hand arbeiten?

Ja, das ist möglich – vorausgesetzt, sie beruhen auf denselben Grundannahmen. In diesem Fall müssen beide Module mit einem Fahrplan arbeiten, und es müsste einen „Wächter“ geben, der sicherstellt, dass dieser Plan eingehalten wird. Hier zeigt sich jedoch die Herausforderung, mit der viele Open-Source-Projekte zu kämpfen haben: Bei der ersten Entwicklung der Eigenverbrauchsoptimierung stand die Fahrplanfunktion vielleicht noch gar nicht zur Debatte. Der Entwickler entschied damals, dass eine Echtzeitregelung ausreichend ist und dass eine komplexe Planungslogik nur unnötigen Aufwand bedeutet.

Open-Source und die Dynamik der Anforderungen

Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, bei der Softwareentwicklung flexibel auf neue Anforderungen reagieren zu können. Was gestern noch genügte, muss heute vielleicht neu gedacht werden, weil zusätzliche Module hinzugekommen sind. Das ist die Stärke und gleichzeitig die Herausforderung von Open-Source-Projekten wie OpenEMS: Es gibt Raum für ständige Weiterentwicklung, aber auch die Notwendigkeit, alte und neue Anforderungen miteinander zu verbinden.

Ein solches System für das Energiemanagement eines Hauses stellt hohe Anforderungen an Entwickler, die neue Funktionalitäten schaffen und dennoch bestehende Lösungen weiter verbessern müssen. Letztlich sorgt genau das dafür, dass Eigenverbrauchsoptimierung und dynamische Stromtarife künftig perfekt zusammenarbeiten können – für eine noch smartere Energienutzung, bei der alle Ziele im Blick bleiben.

Mehr bei stromhaltig: