Manchmal liest man Dinge im Netz, bei denen man nicht weiß, ob man lachen oder die Stirn runzeln soll. Jüngst bin ich über einen Kommentar gestolpert, der sich mit dem GrünstromIndex auseinandersetzt. Sinngemäß hieß es dort: „Die Idee ist ja gut, aber das Ganze ist nicht offen, mathematisch völlig unklar, und bevor das viele verwenden, sollte das erstmal die wissenschaftliche Community prüfen.“
Na, wenn das kein Paradebeispiel für einen „sachlichen“ Diskussionsbeitrag ist.
“Mathematisch unklar” – und was genau ist beim Wetterbericht klar?
Fangen wir mal bei der Mathematik an. Offenbar wird hier die Forderung gestellt, dass jeder Nutzer bis ins kleinste Detail verstehen soll, wie der GrünstromIndex berechnet wird. Das wäre dann vermutlich die erste und einzige Prognosetechnologie, bei der das verlangt wird. Schauen wir uns doch mal die Wettervorhersage an: Wer von uns weiß, welche mathematischen Modelle da im Hintergrund werkeln? Wer kann die hunderten Datensätze aus Satellitenbildern, Bodenstationen und Luftströmungsmodellen wirklich durchschauen? Richtig: Fast niemand. Und trotzdem akzeptieren wir die Vorhersagen – sei es beim Griff zum Regenschirm oder bei der Entscheidung, ob das Grillen am Wochenende wetterbedingt ins Wasser fällt.
Warum also bei der Wettervorhersage „alles cool“ und beim GrünstromIndex plötzlich Misstrauen? Das riecht verdächtig nach einem Fall von “Ich akzeptiere, was ich immer schon akzeptiert habe” – und nicht etwa nach einem tatsächlichen Mangel an Transparenz.
Offenheit – Aber nur, wenn’s mir passt?
Eine weitere „Kritik“ war, dass der GrünstromIndex „nicht offen“ sei. Nun, der GrünstromIndex ist seit über 10 Jahren kostenlos verfügbar. Kosten. Los. Man kann ihn anschauen, nutzen, integrieren – ohne eine Rechnung zu kriegen. Das nenne ich offen genug. Wenn ich wissen möchte, ob ich heute besonders grün oder eher grau lade, liefert er mir die Info. Fertig.
Muss ich dafür den gesamten Quellcode einsehen können? Muss ich bei meiner Bank den Algorithmus zur Kreditvergabe offenlegen lassen, bevor ich einen Kredit aufnehme? Nein. Warum? Weil es eine Frage der Nutzung ist. Wenn ich einen Service nutze, bewerte ich, ob er meine Bedürfnisse erfüllt – und der GrünstromIndex tut genau das: Er sagt mir, wann ich am saubersten Strom nutzen kann. Punkt.
Außerdem ist das Konzept von “Offenheit” hier reichlich verwaschen. Es wird nicht klar, ob es um „Open Source“ oder „Erklärbarkeit“ geht. Und wenn wir ehrlich sind, geht es in der Praxis nie um vollständige Offenheit, sondern um Vertrauen. Das Vertrauen, dass jemand, der seit über einem Jahrzehnt im Markt aktiv ist, sein Handwerk versteht – in diesem Fall die STROMDAO GmbH. Das Unternehmen hat als Anbieter nicht nur einen Ruf zu verlieren, sondern auch wirtschaftliches Interesse daran, dass der GrünstromIndex gut funktioniert. Sie wollen schließlich nicht ihre Zeit mit Support-Anfragen verschwenden, weil die Leute ihre Lichter zum falschen Zeitpunkt einschalten.
Wissenschaftliche Community – bitte einmal alles stoppen!
Ach, die gute alte „Community-Karte“. Wenn nichts mehr geht, wird der Joker gezogen: „Das muss erstmal die wissenschaftliche Community prüfen.“ Klingt erstmal nobel. Ist es aber nicht. Diese Forderung wird nämlich oft nur dann erhoben, wenn man etwas blockieren will. Interessanterweise aber nur, wenn es einem gerade nicht in den Kram passt. Denn wo war dieser Ruf, als die Smart-Meter-Pflicht eingeführt wurde? Wo blieb der Aufschrei nach „wissenschaftlicher Validierung“, als CO₂-Bepreisung und Emissionshandel auf den Weg gebracht wurden?
Hier zeigt sich ein altbekanntes Muster: Der Ruf nach wissenschaftlicher Überprüfung kommt nicht aus Sorge um die „Wissenschaft“, sondern aus Sorge um den eigenen Einfluss oder die eigene Agenda. Plötzlich müssen alle mal warten, bis die „Wissenschaft“ den Stempel draufsetzt – am besten, bis man selbst genug Zeit hatte, sich eine alternative Lösung zu basteln.
Ganz nebenbei: Der GrünstromIndex wird bereits seit über einem Jahrzehnt verwendet – nicht in Laborexperimenten, sondern in der Praxis, bei realen Ladeinfrastrukturen, Stadtwerken und Energiemanagementsystemen. Was wäre denn bitte eine bessere “wissenschaftliche Prüfung” als die Anwendung im Realbetrieb? Wer behauptet, der GrünstromIndex sei noch nicht „ausreichend validiert“, hat schlicht nicht aufgepasst.
Prognosen können auch mal danebenliegen – na und?
Dann kommt der Klassiker: „Wenn das System mal fehlerhafte Prognosen macht, kann das sehr problematisch sein.“ Aha. Willkommen in der Realität der Prognosemodelle. Fehlerfreie Prognosen gibt es nicht. Hat der Wetterbericht jemals bei 30 % Regenwahrscheinlichkeit garantiert, dass es nicht regnet? Hat eine Volkswirtschaft je eine Rezession exakt vorausgesagt? Auch Prognosen im Energiesektor – ob Börsenpreise oder Grünstromanteile – sind keine perfekten Vorhersagen.
Und hier wird’s spannend: Niemand verlangt Perfektion. Es reicht, wenn der GrünstromIndex besser ist als die Alternative – und die Alternative lautet: gar keine Information. Vor dem GrünstromIndex hatte niemand eine verlässliche, minutengenaue Aussage darüber, wann es sinnvoll ist, Strom zu nutzen. Wer also fordert, dass die Prognosen „immer stimmen müssen“, ignoriert die Realität der Unsicherheit, die bei jedem Prognosesystem existiert.
Was ist die eigentliche Absicht hinter diesem Argument? Vielleicht will man nicht, dass Menschen beginnen, ihre Verbraucher nach dem GrünstromIndex auszurichten, weil das eigene Geschäftsmodell gefährdet wäre? Es klingt zumindest nach der Taktik: „Wenn ich schon nicht verhindern kann, dass sich etwas durchsetzt, dann versuche ich, Zweifel zu säen.“
Was bleibt?
Was bleibt also von der „Kritik“? Ein Nebel aus Schlagworten: “Intransparenz!” “Mathematisch unklar!” “Wissenschaft!” Das klingt gut, aber bei näherem Hinsehen bleibt nicht viel übrig.
Der GrünstromIndex ist da. Er funktioniert. Er liefert Mehrwert. Wer ihn nutzen will, kann das kostenlos tun. Ob die Berechnungsmethodik für den Einzelnen „klar“ ist, hat keine Relevanz – die Methodik des Wetterberichts ist es auch nicht. Was wirklich zählt, ist der Nutzen. Und der ist eindeutig: Menschen können grüneren Strom verwenden, ohne dabei ins Schwitzen zu geraten, weil sie einfach auf den Index schauen.
Die Forderung nach “mehr Transparenz” oder “mehr wissenschaftlicher Diskussion” klingt auf den ersten Blick ehrenhaft, ist es aber selten. Meist stecken Eigeninteressen dahinter, die mit dem eigentlichen Ziel – der Energiewende – wenig zu tun haben.
Und während diese Leute “mehr Wissenschaft” fordern, gucke ich aus dem Fenster – so wie ich es schon die letzten 10 Jahre gemacht habe – und stelle fest: „Ach, tatsächlich. Grünstrom. Genau wie der GrünstromIndex gesagt hat.“
Wer daran zweifelt, darf gerne die nächste Wettervorhersage zerlegen. Aber ich wette, dass die Community dort auch keine Lust hat, alles „mathematisch offen“ zu erklären.
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