Die aktuelle Diskussion um Energy Sharing in Deutschland wird von verschiedenen kritischen Stimmen begleitet. Als innovatives Konzept zur Förderung der Energiewende verdient es jedoch eine differenzierte Betrachtung. Dieser Artikel analysiert die wichtigsten Kritikpunkte und zeigt auf, warum viele der geäußerten Bedenken einer genaueren Prüfung nicht standhalten.
Die Frage der regionalen Abgrenzung
Ein häufig genannter Kritikpunkt betrifft die vermeintlich fehlende regionale Abgrenzung beim Energy Sharing. Die Sorge, dass große Marktteilnehmer das Stromnetz wie eine “Kupferplatte” missbrauchen könnten, erscheint jedoch unbegründet. Die Zielgruppe des Energy Sharing sind in erster Linie lokale und regionale Akteure - vergleichbar mit dem oft zitierten “Hofladen um die Ecke”. Der Aufbau einer deutschlandweiten Marke im Energy-Sharing-Bereich wäre nicht nur logistisch herausfordernd, sondern auch ökonomisch wenig attraktiv.
Die neue Regelung, die eine Beschränkung auf das Verteilnetz und ab 2028 auf angrenzende Verteilnetze vorsieht, schafft hier einen sinnvollen Rahmen, der die lokale Ausrichtung des Konzepts unterstützt.
Komplexität der Netzsteuerung
Die Bedenken hinsichtlich einer erhöhten Komplexität für Netzbetreiber greifen zu kurz. Energy Sharing ist zunächst ein ökonomisches Modell, das sich in die bestehenden Strukturen einfügt. Ähnlich wie beim Börsenstromhandel oder OTC-Handel erfolgt die Abwicklung unabhängig von den Verteilnetzen.
Tatsächlich könnte Energy Sharing sogar zu einer Vereinfachung der Netzbetriebsführung beitragen: Die Sharing-Gemeinschaften streben naturgemäß nach einer möglichst hohen Autarkie, was das Risiko von Netzengpässen und damit die Notwendigkeit von Redispatch-Maßnahmen reduziert. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes.
Abrechnungsmodalitäten
Die Kritik an den Abrechnungsmodalitäten erscheint ebenfalls unbegründet. Die bestehenden Verfahren und etablierte Marktkommunikation sind vollkommen ausreichend, um Energy Sharing abzubilden. Eine komplette Neugestaltung der Abrechnungssysteme ist nicht erforderlich - die vorhandene Infrastruktur kann genutzt werden.
Technische Umsetzbarkeit
Der Verweis auf andere laufende IT-Projekte als Hinderungsgrund für die Implementierung von Energy Sharing greift zu kurz. Die angeführten Projekte wie der Smart-Meter-Rollout oder Redispatch 2.0 sind seit langem bekannt. Wenn heute IT-Kapazitäten fehlen, ist dies eher ein Zeichen für versäumte Digitalisierung in der Vergangenheit als ein Argument gegen zukunftsweisende Projekte.
tl;dr
Energy Sharing bietet große Chancen für die dezentrale Energiewende und die Einbindung lokaler Akteure. Die vorgebrachten Kritikpunkte erscheinen bei genauerer Betrachtung größtenteils als überwindbare Herausforderungen. Mit dem bestehenden regulatorischen Rahmen und der vorhandenen technischen Infrastruktur ist eine erfolgreiche Umsetzung möglich.
Statt die Komplexität des Systems zu beklagen, sollten wir uns darauf konzentrieren, die Chancen zu nutzen, die Energy Sharing für eine nachhaltige und dezentrale Energieversorgung bietet. Die eigentliche Herausforderung liegt nicht in den technischen oder administrativen Details, sondern in der Bereitschaft, neue Wege in der Energieversorgung zu gehen.
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