Balkonkraftwerke erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Sie bieten Privathaushalten eine einfache Möglichkeit, zur Energiewende beizutragen und gleichzeitig die Stromkosten zu senken. Doch hinter dieser dezentralen Form der Stromerzeugung verbirgt sich ein unterschätztes Risiko, das nicht nur den einzelnen Betreiber, sondern auch die Stabilität des Stromnetzes betreffen kann.
Technologie mit Komfort und Risiko
Viele der modernen Balkonkraftwerke sind mit Wechselrichtern und Energiespeichern ausgestattet, die sich per Fernzugriff steuern lassen. Ähnliche Funktionalitäten finden sich auch bei “smarten” WLAN-Steckdosen, die sich über Apps bequem von unterwegs steuern lassen. Was für den Nutzer als Komfortfunktion gedacht ist, eröffnet gleichzeitig ein potenzielles Einfallstor für Cyberangriffe. Wenn diese Zugänge nicht ausreichend gesichert sind, können Angreifer die Kontrolle über die Geräte übernehmen.
Vom Einzelfall zur Massenbedrohung
Ein isolierter Angriff auf ein einzelnes Balkonkraftwerk mag zunächst harmlos erscheinen. Doch das Risiko vervielfacht sich, wenn tausende Geräte zeitgleich manipuliert werden. Theoretisch könnten Angreifer durch das gleichzeitige Ein- oder Ausschalten von hunderttausenden Kleinanlagen erhebliche Schwankungen im Stromnetz erzeugen. Diese kollektive Steuerung könnte zu Frequenzabweichungen führen, die im schlimmsten Fall zu einem regionalen oder gar landesweiten Stromausfall eskalieren können. Ein derartiger Angriff wäre in seiner Wirkung mit den Risiken großer industrieller Cyberangriffe vergleichbar.
Schwachstellen bekannt, aber unzureichend behoben
Das Problem der Cyberangriffe auf Wechselrichter und Batteriespeicher ist nicht neu. Bereits 2018 deckte der TÜV Rheinland in einem Test gravierende Sicherheitslücken auf. Die Untersuchungen zeigten, dass es möglich ist, Wechselrichter und Batteriespeicher über einfache Cyberangriffe zu manipulieren. Auch das wissenschaftliche Paper mit dem Titel “Exploring Smart Grid Vulnerability Against Intelligent Inverter Parameter Tampering Attack” beschreibt anschaulich, wie Änderungen an den Parametern intelligenter Wechselrichter das Stromnetz destabilisieren können.
Ein aktueller Artikel von Inside Digital warnt eindringlich vor den Gefahren, die von der massenhaften Nutzung von Balkonkraftwerken ausgehen. Der Beitrag verweist dabei auf Recherchen von Bloomberg, in denen auf die Schwachstellen von Solaranlagen im Allgemeinen hingewiesen wird. Dabei stehen weniger Balkonkraftwerke im Fokus, sondern das übergeordnete Problem der Anfälligkeit von dezentralen Energieerzeugungsanlagen für Hackerangriffe.
Das Problem der Verantwortung
Eine zentrale Frage bleibt: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Angriff dieser Art tatsächlich stattfindet? Im klassischen IT-Sicherheitskontext liegt die Verantwortung für die Sicherheit eines Geräts grundsätzlich beim Eigentümer oder Betreiber. Ähnlich könnte es bei Balkonkraftwerken sein. Auch wenn der Endkunde oft nur begrenzten Einfluss auf die Sicherheitsarchitektur der Geräte hat, trägt er die Verantwortung für den Betrieb der Anlage.
Sollte es durch eine koordinierte Cyberattacke zu einem Stromausfall kommen, wäre die rechtliche Frage der Haftung komplex. Hersteller, Netzbetreiber und Geräteinhaber könnten gleichermaßen in die Verantwortung genommen werden. Doch die Rechtslage ist hier unklar. Ohne Rechtsanwalt zu sein, lässt sich dennoch argumentieren, dass Anschlussinhaber eine Mitverantwortung tragen, da sie für die IT-Sicherheit ihrer Geräte zuständig sind.
tl;dr Zur Not etwas weniger App wagen.
Balkonkraftwerke sind ein wichtiger Baustein der dezentralen Energiewende, doch sie bergen auch unterschätzte Risiken. Die Steuerbarkeit über Apps, die für den Nutzer Komfort bietet, kann von Angreifern missbraucht werden. Eine gezielte Manipulation vieler Geräte gleichzeitig könnte erhebliche Netzstörungen auslösen. Die bestehenden Schwachstellen sind längst bekannt, aber oft nicht hinreichend behoben. Es bleibt zu klären, inwieweit Hersteller, Netzbetreiber und Betreiber in die Verantwortung genommen werden können. Klar ist jedoch: Jeder Betreiber von Balkonkraftwerken sollte die IT-Sicherheit seiner Geräte ernst nehmen, um größere Störungen im Stromnetz zu vermeiden.
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