4. Problemstellung

Die zentrale Herausforderung bei der Bewertung verschiedener Strombeschaffungsstrategien liegt in der komplexen Wechselwirkung zwischen zeitlichem Verbrauchsverhalten und dynamischen Marktpreisen. Das Verbrauchsmuster eines Stromkunden, dargestellt durch sein individuelles Lastprofil, bestimmt maßgeblich die tatsächlichen Beschaffungskosten bei börslichen Strompreisen. Diese Beziehung gewinnt durch die zunehmende Verbreitung dynamischer Tarife erheblich an Bedeutung.

Die Analyse wird durch die hohe Individualität der Verbrauchsmuster erschwert. Zwar existieren standardisierte Lastprofile für verschiedene Verbrauchergruppen, doch diese bilden nur durchschnittliche Verbrauchsmuster ab. In der Realität weichen einzelne Verbraucher oft erheblich von diesen Standardprofilen ab. Besonders deutlich zeigt sich diese Problematik bei der Aggregation mehrerer Kundenprofile: Das Gesamtlastprofil eines Energieversorgers kann völlig andere Charakteristiken aufweisen als die zugrunde liegenden Einzelprofile.

Eine präzise Kostenkalkulation erfordert die Integration verschiedener Datendimensionen. Neben stundengenauen Verbrauchsdaten müssen die korrespondierenden Börsenpreise berücksichtigt werden. Saisonale Schwankungen sowohl im Verbrauch als auch in den Preisen spielen eine wichtige Rolle. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei Preisspitzen und -täler, die einen überproportionalen Einfluss auf die Durchschnittskosten haben können.

Für eine fundierte Analyse lässt sich die Problemstellung mathematisch formalisieren:

Gegeben ist eine Zeitreihe L(t) des Stromverbrauchs (Lastprofil) und eine Zeitreihe P(t) der Börsenpreise über einen Zeitraum T mit stündlicher Auflösung. Als Vergleichsgröße dient ein alternativer Festpreis PFix. Gesucht sind die durchschnittlichen Beschaffungskosten KB bei börslichem Bezug, berechnet als gewichteter Durchschnitt der stündlichen Kosten:

KB = Σ(L(t) * P(t)) / Σ(L(t)) für t ∈ T

Diese Kosten müssen den Vergleichskosten KF bei Festpreis (KF = PFix) gegenübergestellt werden. Die Differenz ΔK = KB - KF gibt Aufschluss über die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der jeweiligen Beschaffungsstrategie.

Die besondere Herausforderung liegt in der effizienten Verarbeitung großer Zeitreihendaten und der Identifikation charakteristischer Muster, die Rückschlüsse auf optimale Beschaffungsstrategien ermöglichen. Dabei müssen verschiedene Fragen beantwortet werden: Welche Tarifart ist für welches Lastprofil optimal? Wie stark weichen die realen Kosten von Standardannahmen ab? Welche Einsparpotenziale bietet die dynamische Tarifwahl?

Die Beantwortung dieser Fragen erfordert nicht nur eine rein mathematische Analyse, sondern auch die Berücksichtigung praktischer Limitationen. Verbraucher haben oft nur begrenzte Möglichkeiten, ihr Lastprofil anzupassen. Die Implementierung optimierter Beschaffungsstrategien setzt zudem eine entsprechende technische Infrastruktur voraus. Diese Rahmenbedingungen müssen bei der Entwicklung praxistauglicher Lösungen berücksichtigt werden.

Die hier skizzierte Problemstellung bildet die Grundlage für die nachfolgende methodische Entwicklung eines analytischen Frameworks, das diese komplexen Zusammenhänge systematisch erfasst und auswertet.