2. Grundlagen und Definitionen
Im Zuge der Energiewende gewinnt der Begriff des Energiepreises eine neue Bedeutung. Traditionell kannten Verbraucher nur den Gesamtstrompreis “an der Steckdose”. Mit der zunehmenden Verbreitung variabler Stromtarife rückt jedoch der reine Energiepreis in den Fokus, der sich unmittelbar aus den Beschaffungskosten für elektrische Energie ergibt. Dieser “Nettopreis” wird in Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) gemessen und bildet die Grundlage für neue, dynamische Tarifmodelle.
Der Energiepreis stellt dabei nur einen Teil des Gesamtstrompreises dar. Der Endverbraucher zahlt zusätzlich Netznutzungsentgelte für den Transport des Stroms, verschiedene Steuern wie die Stromsteuer und die Mehrwertsteuer, sowie diverse Umlagen und Abgaben. Auch die Kosten für den Messstellenbetrieb und die Vertriebskosten des Energieversorgers sind im Energiepreis nicht enthalten. Diese klare Trennung zwischen dem reinen Energiepreis und den weiteren Preisbestandteilen gewinnt mit der Einführung variabler Tarife an Bedeutung, da hier nur der Energiepreisanteil den Schwankungen des Börsenpreises folgt.
Die Preisbildung am Strommarkt erfolgt über zwei wesentliche Wege: den kurzfristigen Börsenhandel und langfristige Beschaffungsstrategien. An der EPEX Spot, der europäischen Strombörse, werden stündlich neue Preise auf Basis von Angebot und Nachfrage ermittelt. Diese Preise können erheblich schwanken und reagieren sensibel auf Faktoren wie Wetterbedingungen, Kraftwerksverfügbarkeiten oder unerwartete Ereignisse. Die hohe Volatilität der Börsenpreise bietet einerseits Chancen für günstige Beschaffung, birgt andererseits aber auch erhebliche Risiken.
Als Gegenpol zum volatilen Börsenhandel dienen langfristige Beschaffungsstrategien der Risikominimierung. Ein wichtiges Instrument sind dabei Power-Purchase-Agreements (PPA), bei denen Energieversorger direkte Lieferverträge mit Stromerzeugern abschließen. Diese Verträge garantieren über längere Zeiträume feste Preise und Abnahmemengen. Sie werden häufig als Base- und Peak-Produkte ausgestaltet, die unterschiedliche Lastprofile abdecken. Der Großteil der Strommengen in Deutschland wird heute über solche bilateralen Verträge gehandelt, die als Over-The-Counter (OTC) Geschäfte direkt zwischen den Handelspartnern vereinbart werden.
Die Wahl der Beschaffungsstrategie hat unmittelbare Auswirkungen auf die Tarifgestaltung für Endkunden. Während dynamische Tarife die stündlichen Börsenpreise direkt an die Verbraucher weitergeben, basieren konventionelle Tarife auf einer ausgewogenen Mischung aus langfristiger Beschaffung und kurzfristiger Optimierung. Energieversorger müssen dabei eine Balance zwischen Planungssicherheit und Flexibilität finden.
Die Bedeutung dieser unterschiedlichen Beschaffungswege wird durch neue regulatorische Anforderungen noch verstärkt. Energieversorger sind zunehmend verpflichtet, ihren Kunden variable Tarife anzubieten, die auf den Börsenpreisen basieren. Diese Entwicklung erfordert ein tiefgreifendes Verständnis der verschiedenen Preiskomponenten und Beschaffungsstrategien, um sowohl für Versorger als auch für Verbraucher optimale Lösungen zu entwickeln.